Hier gibt es nichts zu lachen

Seit Donald Trumps Wahl boomen Satiresendungen. Humor macht es seinen Gegnern einfacher, ihn zu ertragen. Aber verharmlosen die Komiker den US-Präsidenten nicht, wenn er auf Gags reduziert wird?

Wenn Hillary Clinton US-Präsidentin geworden wäre, hätten wir jetzt nicht so viel zu lachen. Dann gäbe es keinen Alec Baldwin als launischen Volltrottel Trump in der Satire-Show «Saturday Night Live». Es gäbe keinen Steve Bannon, dargestellt als Gevatter Tod. Und keinen Sean Spicer, von Melissa McCarthy als kaugummikauendes Monster karikiert, der kritische Journalisten mangels Argumenten mit seinem Stehpult niedermäht. «Saturday Night Live» hat Einschaltquoten wie seit 20 Jahren nicht mehr.
 
Satiresendungen wie «The Late Show with Steven Colbert», «Last Week Tonight» mit John Oliver oder im deutschsprachigen Raum die «Heute Show» und «Die Anstalt» bestätigen, worin sich Trumps Gegner einig sind: Diese Regierung ist unfähig, Donald Trump hat keine Ahnung von Politik und keinen Anstand, er ist wahrscheinlich ein pathologischer Narzisst und kann keine Frage in zusammenhängenden Sätzen beantworten, die sich ausserdem nicht auf die Grösse der Menschenmenge bei seiner Amtseinführung beziehen.
 
Jenen, die für die USA unter Trump das Schlimmste befürchten, verschafft Satire Erleichterung. Indem man im Kollektiv über das Gebaren dieser Regierung lacht, hat man für Momente das Gefühl der Überlegenheit über diese «mächtigsten Männer der Welt». Dieses Gefühl ist trügerisch. Satire zu geniessen, ist eine Form von Eskapismus.
 
Wenn sie den aufklärenden Charakter hätte, den man ihr so gern attestieren würde, hätte sie auch Trumps Befürworter erreicht und der Mann wäre nie gewählt worden. Immerhin war der humorlose TV-Star und Emporkömmling mit schlechtem Geschmack und diskutabler Frisur schon lange vor dem Wahlkampf das Ziel für humoristische Angriffe. Am Correspondents’ Dinner im Weissen Haus 2011 hat Barack Obama ihn vernichtet. Er rächte sich an Trump für dessen Lügengeschichten über Obamas Geburtsurkunde und Universitätsabschluss. «Niemand wäre glücklicher, diese Sache ruhen zu lassen, als ‹The Donald›», sagte Obama. «Dann könnte er sich wichtigeren Dingen zuwenden wie der Frage, ob wir die Mondlandung gefälscht haben.» Der Komiker Seth Meyers legte nach: «Sie wollen für die Republikaner kandidieren? Komisch, ich dachte, Sie kandidieren als Witz.» Trump verliess die Party.
 
Satire ist machtlos gegen Trump
 
Schon Jahre davor war Trump in Fernsehsendungen ein Thema. 2000 wurde in einer Folge der Comedy-Serie «The Simpsons» Lisa Simpson zur US-Präsidentin gewählt, die von ihrem Vorgänger einen kaputten Staat erbte. Sein Name: Donald Trump.
 
Ebenso prophetisch mutet die Folge «The Waldo Moment» aus der britischen Serie «Black Mirror» (2013) an, in der der blaue animierte Bär Waldo, der nichts anderes kann, als Prominente zu beleidigen, zum Spass für einen Posten im Parlament kandidiert. Der Mann, der dem Primitivling seine Stimme leiht, weigert sich. Er habe keine Ahnung von Politik. Aber seine zynischen Chefs sehen Marktpotenzial für ihre Figur. So wird der wetternde Waldo zu einem Populisten, der in Talkshows über seine Konkurrenz herzieht, statt ein politisches Programm zu präsentieren. Das Publikum liebt diesen vulgären, dummen Bären. Es findet ihn authentisch, weil er sagt, was er denkt. Am Ende erhält er am zweitmeisten Stimmen.
 
Richtig hart griff die satirische Serie «South Park» Trump an. In der Folge «Where My Country Gone» 2015 liessen sie ihn in Gestalt von zwei Figuren sich selbst vernichten: Die eine war der rassistische Emporkömmling aus den USA, der alle Ausländer «zu Tode f*****» will. Er bekämpft die andere Figur, den kanadischen Präsidenten, der an der US-Grenze eine Mauer errichtet und sein Land ruiniert hat. Sein Volk nennt ihn ein «dreistes Arschloch, der einfach sagt, was ihm durch den Kopf geht». Er sei gewählt worden, obwohl er kein politisches Programm hatte und stattdessen einfach unerhörte Dinge sagte. «Wir hielten ihn für einen Witz. Wir haben ihn zu lange weitererzählt. Als wir endlich fragten: ‹Im Ernst, wer wird unser neuer Präsident?›, legte die Witzfigur bereits ihren Amtseid ab.»
 
John Oliver übte in seiner Sendung «Last Week Tonight» vom 6. November 2016 Selbstkritik: «Es ist kaum zu glauben, aber es gab Zeiten, in denen wir dachten, es wäre lustig, wenn Donald Trump kandidieren würde.» Vor drei Jahren habe er selbst ihn dazu aufgefordert. Oliver spielt den Clip ein: «Do it! Niemand will, dass du Präsident wirst. Aber wir wollen sehen, wie du kandidierst.» Sein Publikum johlte.
 
Je länger der Wahlkampf dauerte und Trump Chancen hatte, desto schärfer und auch verzweifelter wurde der Ton der Komiker. John Oliver, der alles getan hatte, um Trump als den Lügner, Rassisten, Frauenhasser und Dummkopf zu entlarven, versuchte es in der Sendung vom 6. November nochmals mit einem Appell: «Hör auf, Donald. Sag Amerika, dass deine Kandidatur nur ein Gag war, um auf die Fehler in unserem System hinzuweisen. Stell dir vor, was für ein Triumph es wäre, wenn du im Fernsehen sagen könntest: Ich habe diesen Wahlkampf mit unverhohlen bescheuerten Ideen und rassistischem Fanatismus beherrscht, aber niemand konnte mich bremsen. Im Gegenteil, ihr habt mich geliebt dafür. Was soll das?»
 
Studien belegten schon vor geraumer Zeit, dass Satiresendungen das beliebtere und effizientere Medium geworden sind als Zeitungen oder die Tagesschau, um sich über die Weltlage zu informieren. Das bedeutet: Je weniger journalistisch Satiriker arbeiten und stattdessen – wie die «Heute Show» – mit Witzen unter der Gürtellinie ihre Einschaltquote in die Höhe zu treiben versuchen, desto grösser wird die Gefahr, dass Trump auf Gags reduziert und verharmlost wird. Einer Witzfigur traut man keine egomanische Zerstörungslust zu. Es fällt schwer zu glauben, dass ein Hofnarr eine Gefahr darstellt.
 
In Wahrheit stiftet er sozialen Unfrieden, er attackiert die Schwachen und will Milliardären Steuergeschenke machen. Er schwächt Amerika im internationalen Wettbewerb und beschneidet die Pressefreiheit. Er leistet der Verrohung der Sitten Vorschub: Wenn der Präsident ungestraft Frauen begrapschen und Ausländer beleidigen darf, dann dürfen alle anderen das auch.
 
Man lacht über Baldwin als unfähigen Commander in Chief im Sketch über einen Alien-Angriff und blendet vor lauter Vergnügen die tatsächlich stattfindende Militarisierung aus, den wachsenden Nationalismus, dem zuerst die persönliche Freiheit zum Opfer fällt, dann der Respekt für das Leben anderer. Das ist der Nährboden für Krieg. Trump und Krieg? Der weiss ja nicht mal, wo auf der Landkarte Iran liegt! – Das Lachen wird zum Reflex.
 
Auch weil sich die Realität zeitweise kaum mehr von der Satire unterscheidet: Der echte Trump aus den Wahlkampfdebatten sah Baldwins Parodie so ähnlich, dass man bald nicht mehr wusste, über welchen von beiden man sich amüsierte. Man lacht, wenn Kellyanne Conway Trumps Lügen «alternative Fakten» nennt und Terroranschläge erfindet, um Aussagen ihres Präsidenten zu rechtfertigen. Oder wenn Trump sich in Pressekonferenzen selbst schlimmer blamiert, als Obama dies damals schaffte. Man lacht, und statt Trumps Tun zu hinterfragen, freut man sich auf die Rache der Komiker aus den Satire-Shows.
 
Strategen profitieren vom Gelächter
 
Viele glauben, das Comedy-Potenzial von Trump und seinem Stab sei grenzenlos. Aber die Moderatoren und Autoren diverser Fernsehshows bekunden zunehmend Mühe: «Jetzt, wo Satire real geworden ist, wird es für uns schwierig, Gags zu schreiben», sagte Trey Parker, einer der Macher von «South Park». Trump sagt und tut Dinge, die sich der beste Komiker kaum ausdenken könnte.
 
John Oliver sagte in einem Interview: «Es war noch nie so schwierig, meine Show zu gestalten, wie während dieses Wahlkampfs. Trump ist derart substanzlos. Und ohne Substanz gibt es keine gute Satire.» Ein Witz, den man zu oft wiederholt, nützt sich ab. Das konnte man bereits bei Baldwins letztem Auftritt als Trump beobachten. Er hatte zwar angekündigt, Trump nicht mehr spielen zu wollen, kehrte aber als Commander in Chief doch zurück. Das Publikum liebt ihn, das macht ihn wertvoll für die Show.
 
In der amerikanischen Zeitung «Politico» konnte man lesen, Melissa McCarthys Parodie von Pressesprecher Sean Spicer könnte diesem auf lange Sicht schaden. Die Zeitung berief sich dabei auf Informanten aus dem engsten Kreis von Trump. Tatsächlich wirkte Spicer in letzter Zeit etwas eingeschüchtert. Und was ist mit Trump?
 
Der dünnhäutige Mann, der selber gerne austeilt, aber von allen geliebt und bewundert werden will, bleibt ein dankbares Opfer vor allem für oberflächliche Satire. Er wird zuverlässig toben. Die Komiker, die ihm bis jetzt nichts anhaben konnten, werden ihm auch in Zukunft nicht schaden. Aber sie könnten anderen nützlich sein: seinen Einflüsterern und Beratern, die im Schutz des weltweiten Gelächters über ihren Chef ungestört ihre Fäden weiterspinnen.
 
Erschienen am 19. März in der «NZZ am Sonntag».
(Bild: Saturday Night Live)

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