Hier plärrte Hitler

Man weiss, dass es hier war. Aber vorstellen kann man es sich trotzdem nicht.

Man lässt sich in der Ausstellung nochmals alles genau erklären, schaut Bilder an, die man längst kennt und viele neue. Man liest Erschiessungsberichte im Original, oder man versucht die verwischte Schrift des Exekutionsberichts zu entziffern, der dokumentiert, dass es zehn Minuten gedauert hat, bis Verbrecher wie Hess oder Ribbentrop für tot erklärt und vom Galgen genommen wurden. Man geht an Relikten aus der Zeit vorbei, die hinter Glas in den Boden eingelassen sind: Wertlos gewordene Geldscheine oder eine umgekippte Spielzeugdose mit Zinnsoldaten in Naziuniform und versucht sich die Hände vorzustellen, die damit gespielt haben. Man sieht in Filmausschnitten, wie dieser Mann mit dem schmalen Schnurrbart über die Volksmassen hinweg plärrt, von seiner Empore aus weissem Marmor im Reichsparteitag oder dem Zeppelinfeld herunter, und nachher liest man auf einer Tafel, in welchen KZs wieviele Häftlinge umkamen, als sie genau diese Steinblöcke aus Steinbrüchen heraushauen mussten. Hier, in den dunklen Ausstellungsräumen des Nürnberger Dokumentationszentrums, glaubt man, doch endlich etwas besser zu verstehen, was damals passiert ist. Aber dann führt der Rundgang nach draussen auf eine Plattform, von der man auf die tatsächlich noch vorhandenen Reste dieses Reichsparteitagsgebäudes herunterschaut. Und alles, was man vorher meinte, verstanden zu haben, ist weg. Diese Steine sollen dieselben sein wie auf den Bildern vorhin? Hier sollen diese brüllenden Uniformierten mit den ausgestreckten Armen gestanden haben? Das übersteigt jede Vorstellungskraft.

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