She's Gotta Have It!

Eine Künstlerin und ihre drei Liebhaber: Der Regisseur Spike Lee hat aus seinem ersten Spielfilm eine kluge und krititsche Serie gemacht. 

1986 war es radikal, einen Film zu machen über eine junge schwarze Künstlerin aus Brooklyn, die Monogamie für ein Gefängnis hält und zu ihrem blossen Vergnügen drei Liebhaber hat. Jetzt hat Spike Lee seinen Debütfilm «She’s Gotta Have It», mit dem er in den achtziger Jahren das New Black Cinema begründet hat, in einer Serie neu interpretiert.

Im Zentrum steht wiederum Nola Darling (DeWanda Wise), die sich selbst als «sexpositiv, polyamourös und bisexuell» bezeichnet. Wie im Spielfilm-Original hat sie immer noch drei Liebhaber: den aufmerksamen und liebevollen Banker Jamie (Lyriq Bent), den eitlen Greer (Cleo Anthony), der als Model arbeitet, sowie den Kindskopf Mars (Anthony Ramos) – und ab und an auch eine Frau. 

Die heutige Nola ist ebenfalls eine Künstlerin aus Brooklyn, doch ihre Welt ist eine andere, seit Weisse Immobilien und Häuser des Quartiers aufkaufen, dem schwarze Künstler damals seine Identität und Atmosphäre gegeben haben. Die Gentrifizierung hat Brooklyn grundlegend verändert. Die heutige Nola kann sich ihre Wohnung nur deshalb leisten, weil ihre Patentante das Haus besitzt. Wie schon der Spielfilm, so ist auch die Serie eine melancholische Liebeserklärung an den New Yorker Stadtteil Brooklyn, Spike Lees Heimat.

Wenn die heutige Nola zur Psychiaterin geht, dann, um sexuelle Übergriffe zu verarbeiten, und nicht etwa, weil ihre Liebhaber finden, sie sei sexsüchtig und brauche eine Therapie, wie es im Film von 1986 war.

Selbstbestimmte Frauen wie Nola sind heute in Serien zwar nicht mehr so aussergewöhnlich, auch nicht selbstbestimmte schwarze Frauen. Was aber trotz Fortschritt und Feminismus geblieben ist, sind Sexismus und Rassismus, mit denen Frauen wie Nola fast täglich konfrontiert werden. Die Serie führt, je länger sie dauert, desto dringender vor Augen, wie tief diese nach wie vor in der Gesellschaft verankert sind.

Spike Lee tut das anhand der Kunst, die Nola macht. In einem Street-Art-Projekt klebt sie Fassaden mit Plakaten voll, auf denen ihr Porträt mit Sätzen überschrieben ist, wie: «My name isn't Ay Yo Ma». «My name isn't Sexy». «My name isn't Honey». Sie verarbeitet damit die alltägliche Belästigung durch Männer auf den Strassen von Brooklyn. 

Obwohl die Serie fiktiv ist, nimmt sie Bezug auf die Realität. Einerseits durch Nolas Kunst, die sich mit sexueller Belästigung auseinandersetzt. Andererseits auch konkret auf das politische Geschehen in den USA: Die Folge 8 beginnt mit dem Einblender «November 8th, in da year of our lawd two thousand and sixteen», man sieht Ausschnitte aus Lees Musikvideo zu «Klown Wit Da Nuclear Code» von Stew, im Wechsel mit weinenden Protagonisten der Serie.

Die Wahl von Trump beweist, dass Künstler wie Lee, die als Vermittler zwischen Kulturen wirken, noch viel Arbeit vor sich haben.

 

(Erschienen in der NZZ am Sonntag am 17.12.2017; Bild: Netflix)

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