Mord oder Liebe

«The End of the F***ing World» ist ein bitterböses Roadmovie über ein nihilis­tisches Teenager-Paar.

Manchmal soll Musik im Film nur Stimmung erzeugen. Hier ist sie die dritte Erzählstimme neben denen von Alyssa (Jessica Barden) und James (Alex Lawther), die aus dem Off die Gedanken preisgeben, die sie niemals laut sagen würden. «Now I beg of you, forgive me / From the bottom of my heart, dear / I apologize» – was Brenda Lee in der Schnulze «I’m Sorry» singt, möchte James von seiner Mutter hören und Alyssa von ihrem Vater: Dass es ihnen leidtut, dass sie um Vergebung bitten und sich entschuldigen für das, was sie ihnen angetan haben.

Dass sie beide als Kinder von einem Elternteil verlassen wurden, sei der Grund für ihr kaputtes Leben, glauben die zwei. – «I’m laughing on the outside / Crying on the inside», erklärt Nat King Cole. James glaubt von sich, er sei ein Psychopath. Er möchte wissen, wie es ist, jemanden zu töten. Warum nicht seine Klassenkameradin Alyssa? Diese wiederum fühlt sich von James ange­zogen, weil er ein Freak ist.

Als Alyssa von zu Hause ausreissen will, um ihren Vater zu suchen, sieht James seine Gelegenheit gekommen. Er klaut das Auto seines Vaters, steckt ein Messer ein, und weg sind die beiden. Womit der Mordwillige aber nicht gerechnet hat: «There’s a place where lovers go / To cry their troubles away / And they call it lonesome town» (Ricky Nelson). Dank Alyssa fängt James an, Gefühle zuzulassen, etwas, das er sich als Kind ab­gewöhnt hatte.

«The End of the F***ing World» ist ein bitterböses Roadmovie über nihilis­tische Teenager, die vor der Welt fliehen und dabei wie aus Versehen zu sich selber finden. «And it is so real / I can be it / So why can’t I touch it?», fragen The Buzzcocks – und mit ihnen Alyssa und James.

 

(Erschienen in der NZZ am Sonntag am 24.12.2017; Bild: Netflix)

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