Todlangweilige Vampire

Jim Jarmusch versucht in «Only Lovers Left Alive», dem ausgeleierten Genre des Vampirfilms Neues abzugewinnen. Das ist todlangweilig.

Sie lieben einander seit Jahrhunderten, Adam und Eve, das Vampirehepaar in Jim Jarmuschs neuem Film. Aus irgendeinem Grund leben sie zur Zeit getrennt: Adam (Tom Hiddleston), ein begnadeter Musiker und 123 Minuten lang schlecht gelaunt, haust in einer verfallenden Villa in Detroit. Eve (Tilda Swinton) lebt in Tanger, der ehemaligen Hauptstadt der Intellektuellen und Aussteiger, umgeben von Büchern, erfüllt von der Sehnsucht nach Adam. Als er andeutet, seinem Leben ein Ende setzen zu wollen, setzt sie sich in den Flieger, um ihn von seinen morbiden nostalgischen Schwärmereien abzulenken. Viel mehr passiert nicht. Abgesehen vom Besuch von Eves Schwester Ava (Mia Wasikowska), verantwortlich für die besten Szenen im ganzen Film.

Dass nicht viel passiert, ist für einen Jarmusch-Film nicht überraschend. Minimale Handlung und Langsamkeit machten den Reiz seiner früheren Werke wie «Stranger Than Paradise» (1984) oder «Down by Law» (1987) aus. Diese Filme waren lakonisch, schmucklos, der Inbegriff von cool und machten Jarmusch zur Kultfigur des amerikanischen Independentkinos.

«Only Lovers Left Alive» ist nicht cool. Die Langsamkeit wirkt angestrengt und die minimale Handlung steht in einem Widerspruch zum überquellenden Inhalt. Jarmusch inszeniert die beiden Vampire als Intellektuelle, als Schöpfer unseres gesamten kulturellen Erbes, darum besteht ständig Erklärungsbedarf. Und diesen stillt er mit dem schlimmsten aller Stilmittel: erklärenden Dialogen. Besonders peinlich sind diese jeweils zwischen Eve und ihrem besten Freund Christopher Marlowe (John Hurt), dem Konkurrenten Shakespeares. Zum Beispiel dann, wenn er darauf besteht, dass «Hamlet» aus seiner Feder stamme. Oder wenn sie ihm erklärt, dass es eigentlich Adam war, dem die ganzen Musikgenies von Mozart bis Jim Morrison ihre wichtigsten Werke zu verdanken haben.

Immerhin hat die Langeweile einen ästhetischen Reiz. Zum Beispiel dann, wenn die beiden daliegen, im Halbdunkel zwischen Samt und Brokat, zwischen Stapeln von Tonbändern und Fender-Gitarren, drapiert für die Kamera, die über ihnen kreist. Dann drehen sie sich wie auf einem Plattenspieler, der Adams Musik spielt. Schön ist, dass das Paar sich fast ausschliesslich in einer Art Zeitlupe bewegt, als ob das Gewicht der ganzen westlichen Kultur und allen Wissens der Jahrhunderte auf ihnen lasten und sie überanstrengen würde.

Jarmusch verzichtet auf fast alles, was man üblicherweise in einem Vampirfilm serviert bekommt. Er macht die Sterblichen zur Bedrohung für die Vampire. Wir sind die Zombies, die ihre einst so schöne Welt zerstören und das kulturelle Erbe gleich mit. Darum würden diese unterkühlten Hüter der Kultur solche Kreaturen niemals in den Hals beissen, zu unkultiviert, zu gefährlich. Sie holen sich ihr Blut – ausser im absoluten Notfall – lieber im Spital oder der Apotheke, trinken es aus Kristallgläsern oder frieren es ein und lutschen es wie Eis am Stiel. Anrüchigeres oder gar Unheimliches gibt es nicht. Jarmusch macht aus seinen Vampiren biedere Bildungsbürger und trägt damit das ehemals so schön lüstern-blutrünstige Genre zu Grabe.

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