Tödlicher Rausch

Karim Patwa erzählt, was ihn interessiert hat an der Geschichte eines Rasers, der sich der Mutter seines Opfers nähert.

Das Schweizer Fernsehen wollte «Driften» nicht mitfinanzieren. «Man fand es nicht nachvollziehbar, warum ein Täter sein Opfer aufsuchen sollte», sagt Karim Patwa im Gespräch. Der Regisseur ist Sohn eines ostafrikanischen Inders und einer Schweizerin, er wurde 1968 in England geboren und ist in Biel aufgewachsen. Sein Film passt tatsächlich nicht zu dem, was SRF gern fördert: «Driften» verlangt dem Zuschauer einiges ab, statt ihn nur zu unterhalten, die Figuren sind ambivalent, der Protagonist ist ein Raser:

Robert (Max Hubacher) hat bei einem illegalen Rennen die Tochter von Alice ­(Sabine Timoteo) totgefahren. Als er aus dem Gefängnis kommt, versucht er, sein Leben neu zu ordnen. Seine Schuldgefühle treiben ihn in Alices Nähe, sie kommen einander näher, als Robert es beabsichtigt hat.

«Driften» ist ein wunderbar gefilmtes, aufwühlendes Drama, ohne moralisierend zu sein. «Ich wollte keinen Präventionsfilm drehen, sondern das Psychogramm einer Täter-Opfer-Beziehung mit Fokus auf der gespaltenen Persönlichkeit eines solchen Rasers», sagt Patwa. Roadcross, eine Stiftung, die Familien von Strassenopfern hilft, vermittelte ihm Opfer und Täter, die ihn bei der Figurenentwicklung inspirierten.

Geschrieben hat er das Drehbuch mit seinem Co-Autor Michael Proehl. «Dramaturgie ist ein Fachgebiet für sich, da musste ein Experte ran.» Mitglieder der «Tuner» genannten Raserszene haben Patwa erzählt, warum sie diesen Geschwindigkeitsrausch suchen: «Es ist ihre Möglichkeit, sich selbst zu spüren. Es sind Glücksgefühle für jene, die sich sonst verloren fühlen in der Welt.»

Max Hubacher, der damals noch nicht einmal Auto fahren konnte, musste an seine Rolle herangeführt werden: «Ich musste ­einem 19-Jährigen das Gefühl geben, er habe jemanden getötet», sagt Patwa. Er hat Hubacher von Betroffenen erzählt, ihn aber nie mit ihnen konfrontiert, er sollte die ­Figur allein entwickeln. Sabine Timoteo hingegen hat eine Frau getroffen, deren Kind von einem Raser getötet wurde.

Hubacher und Timoteo spielen ihre Rollen mit beunruhigender Authentizität. «Max gibt den Unschuldigen vor Alice. Aber die Adern an seinen Schläfen platzen manchmal fast, er kann seine Unkontrollierbarkeit nur mit der äussersten Schicht seiner Haut zurückhalten», sagt Patwa und wirkt nicht wenig stolz auf die Leistung seines jungen Hauptdarstellers.

 

Erschienen im Züritipp am 5. März 2015

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