Ästhetik des Elends
Sebastião Salgado hat Grausames in wunderschönen Bildern dokumentiert. Wim Wenders porträtiert ihn.
Er ist in Kriegsgebiete gereist, hat die Hungersnöte in der Sahelzone und den Völkermord in Ruanda gesehen und fast alles fotografiert: Sebastião Salgado (60), brasilianischer Fotograf. Er hat mit seinen bedrückend ästhetischen Fotoreportagen die letzten 40 Jahre das Elend dokumentiert und wäre psychisch daran fast zugrunde gegangen. Mit seinem Werk «Genesis», für das er sich vom zerstörerischen Menschen ab und der schöpferischen Natur zugewandt hat, hat er sich kuriert.
Wim Wenders stellt diesen Fotografen nun vor. Er hat dafür mit Salgados Sohn Juliano zusammengearbeitet, was dem Film guttut. Von Juliano stammt das Filmmaterial, das bei den «Genesis»-Reisen entstanden ist. Es ist farbig, lebendig, authentisch. Das von Wenders ist meist schwarzweiss, streng komponiert und prätentiös. In dieser Vorliebe für eine kühle Ästhetik ähneln sich der Filmer und der Fotograf: Wenders zwingt einen, auf Salgados Bilder zu blicken. Man ist fasziniert von deren kompositorischen Schönheit und zugleich abgestossen von den vielen Kranken, Verzweifelten und Toten.
Salgado kommentiert aus dem Off: Jeder sollte seine Bilder sehen, weil sie das Böse unserer Art zeigten. Aber je öfter und länger man hinschauen muss, desto drängender stellt sich die Frage, ob dieser Aufklärer nicht ein Voyeur sei. Zum Beispiel dann, als er erklärt, wie sehr er es bereut habe, im Irakkrieg die brennenden Ölfelder hinter sich lassen zu müssen, «so ein Spektakel» sei das gewesen. Aber Wenders fragt ihn nicht danach. Stattdessen unterlegt er Salgados Bilder mit Geräuschen und Musik, sodass man den Eindruck bekommt, hinter dem statischen Bild bewege sich noch, was der Fotograf gerade eben festgehalten hat. Damit lässt er die Bilder lebendig werden und potenziert ihre grausame Poesie.