Akademie der Angeber

Im Dokumentarfilm «The Driven Ones» beobachtet Piet Baumgartner drei Männer und zwei Frauen von der Universität St. Gallen. Deren Ziel: Geld und Macht. Denken sie zumindest am Anfang. Ein von Ironie durchzogenes Porträt der sogenannten Elite von morgen.

Sie bezeichnen sich als die Elite, sind stolz auf ihren Ehrgeiz, möglichst schnell möglichst reich und mächtig zu werden. Man spricht Englisch, achtet auf ein gepflegtes Erscheinen in Qualitätsstoffen. Etwa so stellt man sich als Laie Absolventinnen und Absolventen der HSG vor, der Universität St. Gallen. Und etwa so zeigt sie der Regisseur und Autor Piet Baumgartner.

Er hat fünf Studierende des Masterprogramms Strategy and International Management während sieben Jahren mit der Kamera begleitet. Er beobachtet Feifei, Sara, Tobias, Frederic und David wie ein Zoologe eine ihm unbekannte Spezies. Er lässt sie reden und sich dadurch selbst entlarven. Während des Studiums, bei der Jobsuche, bei ersten Krisen, zu Hause bei den Eltern oder irgendwo auf Flughäfen oder in der Businessclass unterwegs.

Man kann nicht anders, als sich vorzustellen, wie Baumgartner sich öfter ein Grinsen verkneifen musste. Besonders im Schneideraum, wenn er durch eine kluge und bisweilen gemeine Montage die Widersprüche sichtbar machte, mit der diese junge Wirtschaftselite sich konfrontiert sieht, aber lieber nicht konfrontiert sehen möchte.

Einmal etwa hört man aus dem Off die Stimme seines Protagonisten mit Neigung zum Angebertum, wie er über die ökologischen und sozialen Nachteile des trotzdem besten Wirtschaftssystems referiert und zu bedenken gibt, dass zu viel Systemkritik nur von Lösungen ablenke. Dazu zeigt Baumgartner ihn im Bademantel am Indoor-Pool mit Sicht auf einen See.

Das Resultat ist eine immer wieder aufblitzende Ironie, die Baumgartner aus der naiv wirkenden Offenheit entstehen lässt, mit der diese jungen Männer und Frauen von ihren Träumen und Ambitionen reden.

Der Dokumentarfilm von Baumgartner, der auch das Theaterstück «EWS – der einzige Politthriller der Schweiz» inszeniert hat, verdankt seine Qualität dem Casting.

Da gibt es die Tochter aus gutem Haus, die es sich leisten kann, sich selbst zu überschätzen. Den dezent Fleissigen, der zur Einsicht kommt, dass Familie und Liebe trotz allem wichtiger bleiben als Geld. Den Schlaumeier, der seinen Eltern erklärt, wie das System Verlierer produziert, an dem er sich mit seinem Startup (für irgendwas) selbst beteiligen will, um zum Millionär zu werden – halt leider auf Kosten von neuen Verlierern. Er wirkt so, als ob er, sollte seine Karriere in Gefahr geraten, genauso seine Freunde verraten würde wie der oben genannte Angeber.

Die interessanteste Figur ist Feifei, Tochter von chinesischen Einwanderern und in Deutschland aufgewachsen. Sie erdet dieses Fünffachporträt von Superehrgeizigen, weil sie das Streben nach Geld und Macht immer wieder in einen Kontext stellt, einen globalen, menschlichen, auch philosophischen.

Feifei arbeitet nach dem Studium bei einer Beratungsfirma, aber diskutiert mit ihrem Freund einmal darüber, wie unfassbar viel Einfluss solche Unternehmen, gerade die grossen Beratungsfirmen, auf die globale Wirtschaft und Politik hätten. «Es ist beängstigend», sagt sie.

Man bekommt schnell den Eindruck, dass sie, die auch singt und Klavier spielt, zu intelligent sei für den Zynismus der Branche, die sie sich für ihre Karriere ausgesucht hat. Weil sie Glück nicht am Kontostand misst, ein Gefühl für Verantwortung hat und unter «Wert» etwas anderes versteht als die anderen vier von Baumgartners Protagonisten.

 

 

 

(Am 2.11.2023 in der "NZZ am Sonntag" erschienen. Bild: Filmcoopi)

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