Allerfeinstes Seemannsgarn

«The Lighthouse»: Der klaustrophobische Thriller mit Fantasy-Elementen erzählt eine archaische Geschichte in einer hoch artifiziellen Inszenierung. So eigenwillige Filme, aber starbesetzt - das gibt es so gut wie nicht mehr.

Solche Filme gibt es kaum mehr: Mit Stars besetzt und trotzdem künstlerisch eigenwillig. Ohne Robert Pattinson und Willem Dafoe würde «The Lighthouse» wahrscheinlich in einem kleinen Arthouse-Kino auf Publikum warten und nach zwei Wochen wieder abgesetzt werden. Jetzt könnte es passieren, dass alte «Twilight»-Fans mit Filmkunst verstört werden, die an David Lynch erinnert, als dieser noch Geschichten erzählte und nicht nur assoziative Gedankenströme in Bilder übersetzte. Allein schon der Sound am Anfang: Das Tuten eines Nebelhorns und das Grollen und Rauschen des Meeres fügen sich zusammen zu einer unheilverkündenden Melodie, als Ephraim (Pattinson) zur Insel mit dem Leuchtturm vor der Küste Nova Scotias hinausfährt. Der ehemalige Holzfäller soll dort dem alten Leuchtturmwächter Thomas (Willem Dafoe) bei der Arbeit helfen.

Es sind die 1890er Jahre, harte Arbeit bei schlechter Ernährung und Aberglaube definieren die Lebensbedingungen, Gefahr und Tod sind allgegenwärtig. Als Ephraim in seiner Matratze ein Meerjungfrauenfigürchen findet, warnt ihn Thomas davor. Seemannsgarn, glaubt Ephraim. Aber bald verführt ihn die Fischfrau in seinen Träumen und setzt seinem Verstand zu. War es wirklich nur ein Traum? Und was treibt Thomas da oben beim Licht im Turm? Je länger Ephraim auf der Insel ist, desto weniger kann er seinen Sinnen trauen. Erst recht, als ein Orkan aufzieht und auf die Seelen der Männer übergreift.«The Lighthouse» ist ein klaustrophobischer Thriller mit Fantasy-Elementen, der eine archaische Geschichte über Wahnsinn, Schuld und Sühne in einer hoch artifiziellen Inszenierung erzählt. Die fast quadratischen Bilder in bedrohlichem Schwarz-Weiss sind so wohlkomponiert, dass man sie gerahmt in einem Museum ausstellen könnte. Trotzdem droht die Naturgewalt, die Eggers in diesen engen Rahmen zwängt, in jedem Moment daraus hervorzubrechen. Wenn man aus dem Kino kommt, ist man seekrank. Aber auf gute Weise


 

Erschienen am 30. November 2019 auf nzzas.ch

(Bild: Universal)