Am liebsten würde ich gar nicht abstimmen

Ein «Ja» zur No-Billag-Initiative kommt nicht infrage. «Nein» wiederum sage ich nur um der Medienvielfalt willen und nicht aus Sympathie für die SRG. Denn diese muss sich reformieren.

Das Angebot der SRG nehme ich kaum mehr in Anspruch. Mit Ausnahme vom «Echo der Zeit», von ein paar Ski­rennen dann und wann und ab und zu «26 minutes», der Satiresendung auf RTS. Früher gehörte es dazu, mit der Familie um 19 Uhr 30 die «Tagesschau» anzusehen, und mittags um 12 Uhr 30 hatten wir Kinder still zu sein, weil im Radio die Nachrichten liefen.

Dank «Delikatessen» habe ich als Teenager meine Liebe zum Film entdeckt; aber seit Michel Bodmer nicht mehr moderiert, schaue ich die Sendung nicht mehr. Wenn ich etwas über Film lernen will, sehe ich mir Video-Essays auf Youtube an oder lese Filmmagazine. Auch den «Kulturplatz» habe ich aufgegeben. Seit die Sendung gekürzt worden ist, bleibt davon nur noch eine hübsche Hülle übrig, Substanzielles wird kaum mehr vermittelt. Warum also sollte ich für ein Medienunternehmen Gebühren zahlen, dessen Angebot mir nichts sagt? Wenn die SRG eine Zeitung wäre, hätte ich das Abo längst gekündigt. – Ich zahle darum Gebühren, weil die SRG etwas anderes ist als ein Zeitungsverlag. ­Ringier oder die NZZ haben nicht den Auftrag vom Bundesrat, das Land mit Informationen zu versorgen.

Dass sich, falls die No-Billag-Initiative im März angenommen wird, private Fernseh- und Radiosender darum kümmern werden, die rätoromanische oder abgelegene Regionen der italienisch­sprachigen Schweiz ausreichend mit Informationen zu versorgen, bezweifle ich. Diese Märkte sind zu klein, da lässt sich keine Quote machen und kein Geld verdienen.

Die No-Billag-Initianten wollen, dass «jeder selbst entscheiden kann, für was er sein hart erarbeitetes Geld ausgeben möchte», wie man in ihrem Programm nachlesen kann. Sie propagieren Freiheit, aber was sie wirklich meinen, ist Eigennutz. Das Angebot der SRG kann landesweit nur dank dem Prinzip der Solidarität existieren; mit den Einnahmen aus der Deutschschweiz werden die Programme in den anderssprachigen Landesteilen ermöglicht.

Zu der Freiheit, welche die Initianten hochhalten, gehört auch und vor allem, dass man sich als Bürgerin oder Bürger dieses Landes ausreichend über das nationale und internationale Geschehen informieren kann, egal, wo man wohnt. Denn nur wer informiert ist, kann sich eine eigene Meinung bilden zu dem, was in der Welt geschieht. Das ist das beste Mittel gegen Demagogie und die Basis für eine Demokratie.

Am 4. März 2018 Ja zu sagen zur No-Billag-Initiative kommt nicht infrage. Also stimme ich Nein, aber mit Vorbehalten, weil es mich stört, ein Unternehmen nur aus Prinzip zu unterstützen. Am liebsten würde ich «Nein, aber» sagen. So, wie es auch viele der Filmemacherinnen und Filmemacher tun, mit denen mein Kollege Christian Jungen und ich für unsere Titelgeschichte gesprochen haben. Die Branche hat Angst, viele bangen um ihre Existenz, weil die SRG einer der wichtigsten Filmförderer ist. Aber nicht nur Kulturschaffende sind angespannt. Ich habe noch selten erlebt, dass so lange vor einer Abstimmung so heftig diskutiert wurde. Auch bei uns auf der Redaktion.

Nur in einer Sache sind wir uns einig: Die SRG muss sich reformieren. Sie ist zu gross und zu selbstgefällig, es geht ihr zu sehr um Quote statt um Qualität, das Programm ist zu seicht und aus der Zeit gefallen. Die Sender vernachlässigen die Jugend und auch das kritische Berichten über den Schweizer Film.

Am Ende unserer Titelgeschichte «Angst vor ‹No Billag›» präsentieren wir zehn Punkte dazu, wie sich die SRG fit machen kann für die Zukunft.

(Editorial zu «Frame», 12. Dezember 2017; https://t.co/FQE50JDhtT Bild: Keystone)