Anfällig für unkritische Berichterstattung

Die grossen Sonntagszeitungen sind einseitig abhängig von Grossverteilern und Autoindustrie. Das hat Folgen für den redaktionellen Inhalt.

Tageszeitungen werden immer dünner, die Inserate immer weniger. Hauptgrund: Die meisten Rubrikeninserate sind ins Internet gewandert. Unter dem chronischen Anzeigenschwund leiden aber auch die Sonntagsblätter. Besonders auffallend: Die Zahl der Anzeigenkunden nimmt laufend ab. Eine Erhebung von saldo zeigt: Bester Anzeigekunde der «Sonntags-Zeitung» war letztes Jahr die Auto­industrie mit 130 Inseraten, gefolgt von der Migros mit 92 sowie Coop und Banken mit je rund 60. Bei der «NZZ am Sonntag» ein ähnliches Bild: Die Autoindustrie schaltete 111 Anzeigen, Coop 58, Banken und Versicherungen je gut 50 und die Migros 44 Anzeigen. Gut vertreten in der NZZaS war noch die Luxusgüterindustrie mit 85 Seiten.

Die Sonntagszeitungen sind zu weit über 50 Prozent durch Anzeigen finanziert. Die einseitige Abhängigkeit von den drei Branchen Autohandel, Lebensmittel-Grossverteiler und Banken macht sie anfällig für unkritische Berichterstattung zu diesen Themen.

Würdigungen statt Auto-Kritiken

In der «Sonntags-Zeitung» ist zum Beispiel zu lesen: «Der neue S1 ist die Krönung von Audis Kleinwagen» – «Schon die Form macht das Coupé zur überzeugenderen Version des Jaguar F-Type.» Solche Sätze findet der Leser zuhauf. Die Schilderungen der neuen Modelle sind keine Auto-Kritiken, sondern Würdigungen. Kein Wort davon, dass die Journalisten häufig für Probefahrten in Feriendestinationen ein­geladen werden.  

Migros-Chef Herbert Bolliger konnte in der «Sonntags-Zeitung» sein Unternehmen durchwegs in ein gutes Licht stellen. Migros sei «Swissness», diktiert er am 9. Februar dem Journalisten ins Aufnahmegerät. Titel des Artikels: «Migros stärkt ihre Wurzeln».

Am 7. Juli durfte Andrea Broggini, Verwaltungspräsident des Migros-Genossenschafts-Bundes, das Auslandsgeschäft der Migros rechtfertigen. Der Schweizer Konsument werde von einer «stabilen, konkurrenzfähigen Migros-Industrie profitieren», sagt er. Kein Wort zum hohen Kaufpreis und dem finanziellen Risiko durch die Übernahme einer defizitären deutschen Firma.  

Auch bei der «NZZ am Sonntag» gibt es die «Autotests». Die Nähe der re­daktionellen Tester zu den ­Produkten ist weniger offensichtlich. ­Anders bei der Luxusgüterbranche: Die Zeitung druckte mehrere unkritische Interviews mit den Chefs von Swatch und den Luxusuhrenherstellern IWC und Zenith ab. Ebenso stutzig macht die Rubrik «Sieben Fragen an …». Hier bekommen Investmentbanker eine Plattform für oberflächliche Marktanalysen und Anlegertipps. Zur Erinnerung: Banken sind die drittbesten Werbekunden der «NZZ am Sonntag».

 

Erschienen in saldo am 21. Januar 2015