Aus der Traum

 

«Wenn ich reich bin, kaufe ich dir ein Haus am Meer», verspricht Carlos seiner Freundin Natalia. ­Beide wissen, dass das nie passieren wird. Illusionen machen sie sich keine mehr – nur träumen, das geht noch. Das Pärchen gehört zu den Tausenden von jungen Leuten in Spanien, denen die Finanzkrise jegliche Zukunft genommen hat.

Jamie Rosales’ Film porträtiert anhand von Natalia (Ingrid García Jonsson) und Carlos (Carlos Rodríguez) eine verlorene Generation. Er zeigt in oft dokumentarisch anmutenden Bildern, wie deren ­Leben aussieht: Carlos arbeitet für einen winzigen Lohn auf einer Baustelle und bessert sein Einkommen mit kleinen Drogengeschäften auf. Natalia ist arbeitslos und weiss, dass sie es bleiben wird, egal, wie viele Bewerbungen sie abgibt. Die ­Jugendlichen wohnen beide bei ihren Müttern, obwohl sie längst bereit wären, dieses Nest zu verlassen und in die Berufswelt einzutreten. Aber der Staat kann sie nicht brauchen. Zum Nichtstun verdammt, schlagen sie ihre Zeit tot. Regisseur Rosales zeigt sie beim Gamen, Schlafen, Klauen, Rumhängen und lässt sich dabei so viel Zeit, dass man als Zuschauer ihre Langeweile unmittelbar nachzuvollziehen beginnt. Er zeigt sie, wie sie ihr Leben in der virtuellen Parallelwelt von ­Facebook, Whatsapp und Instagram dokumentieren und optimieren.

In stummen, melancholisch anmutenden Sequenzen sieht man Bilder und Nachrichten vorbeiziehen, die sie einander während Stunden hin- und herschicken. Die eindrücklichste dieser Sequenzen dokumentiert das erste Lebensjahr von Natalias und Carlos’ Tochter. Zumindest Natalia wird durch die Geburt aus ihrer Lethargie geweckt. Aber das Erwachen ist nicht schön. Doch der Traum von dem, was der Filmtitel verheisst, ist ebenso vorbei: der Traum von der schönen Jugend.

 

Erschienen im Züritipp am 23. April 2015

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