Carlos ist dumm und darum Moslem

Früher bezeichnete er sich als Christ. Aber jetzt will Carlos «als beinharter Kampfsportler reüssieren», darum «dürfte Mohammed für ihn auf Dauer interessanter sein». Das schreibt der Journalist Thomas Widmer in einer «Analyse» im Tages-Anzeiger. 

Das schreibt der Journalist Thomas Widmer in einer «Analyse» im Tages-Anzeiger. Seine Begründung: Der Koran ist ein simples Buch, das Underdogs besonders gern lesen, weil es darin um Rache an Tyrannen geht. Die Bibel sei im Vergleich dazu «wirr». Der Artikel erschien im «Tages-Anzeiger» unter dem Titel «Analyse». Zu dieser Tirade voller Behauptungen und Vorurteile hätte «Pamphlet» besser gepasst.

Die Gründe für Carlos’ Glaubenswandel findet Widmer, Reporter und laut Angaben des Tages-Anzeigers auch Islamwissenschaftler, in einem Weltwoche-Interview: Carlos fühle sich «verarscht und hintergangen» und sei «nicht gern eingesperrt», sehe sich als Opfer, nicht als Täter. Dass Carlos sich von der Bibel, seiner früheren Wegweiserin abwandte, ist für Widmer klar: Jesus war ein Softie und Frauenversteher und starb am Kreuz den Opfertod. So einer kann kein Idol sein für einen Messerstecher.

Widmer führt Gründe an, warum der Koran besonders gut zu Carlos passt. Erstens: Mohammed war ein Kriegsherr, der lehrte, dass man zurückschlagen darf, um am Ende edler Sieger zu sein. Das Alte Testament mit Stellen wie «Auge um Auge, Zahn um Zahn», lässt er beiseite. Zweitens: Amerikanische Gefängnisse sind voll von Muslimen, meist Schwarzen. Drittens: Grosse Kämpfer wie Malcolm X oder Cassius Clay waren Moslems. Viertens: Der Koran ist einfach zu verstehen: «Von diesem Buch, das direkt und deutlich spricht und viel kürzer ist als die Bibel, fühlt Carlos sich offenbar verstanden.»

Solange der Glaube nicht zu einer Straftat führt, ist Religion Privatsache. Wenn ein Journalist einen Zusammenhang zwischen der Religion und dem Verhalten eines jungen Straftäters herbeischreibt, sollte er wenigstens genau sein: Carlos hat seit mehreren Jahren nicht mehr gegen das Gesetz verstossen. Die Strafen kassierte er für sein Verhalten in jenen Jahren, in denen er noch der Bibel anhing.

(Für saldo, das Konsumentenmagazin)

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