Das ist Gaga

Der Dokumentarfilm "Gaga: Five Foot Two" versucht die Lady als zweite Amy Winehouse zu inszenieren. Peinlich. 

Wenn man sich einen Doku­mentarfilm über eine Musikerin anschaut, hofft man, hinter die Maske der Bühnenfigur zu sehen. Zu verstehen, woher sie kommt, wo sie ihre Inspiration hernimmt, mit wem sie lebt, wie sie denkt, worüber sie lacht und weint. «Amy» (2015) über Amy Winehouse gehört zu den intimsten Musikerinnenporträts der letzten Jahre; es war, als ob man in einem fremden Tagebuch lesen müsste.
 
«Gaga: Five Foot Two», das Porträt über die italoamerikanische Popdiva Lady Gaga, wirkt im Vergleich dazu wie die Lektüre einer Klatschzeitschrift. Die Netflix-Produktion von Chris Moukarbel deckt die Zeit der Entstehung ihres fünften Studioalbums, «Joanne», ab. Gaga erklärt uns, sie sei jetzt, mit 30, eine Frau und kein Mädchen mehr. Diese verrückten Kostüme habe sie getragen, «weil ich nicht bereit war, ich selbst zu sein».
 
Damit die Fans ihr neues Selbst verstehen und sich nicht von ihr abwenden, wurde dieser Film gedreht, so kommt es einem vor. Man sieht Gaga im Studio – mit Mark Ronson, früher der Produzent von Winehouse, in ihrem New Yorker Appartement mit Sicht auf den Central Park, mit der Familie, sehr oft bei der Massage, bei Proben für den Auftritt bei der Super Bowl, zu dem sie sagt: «Das ist der Höhepunkt meiner Karriere. Was kann jetzt noch kommen?»
 
Was man sieht, lässt einen kalt, weil es so inszeniert wirkt. Jede Träne wird zum Zusammenbruch stilisiert, aus dem Tod einer Tante, die Gaga nicht einmal kannte, wird ein lebensveränderndes Ereignis. Der Popstar, der abgesehen von Liebeskummer ein relativ tragödienfreies Leben führt, wird zur leidenden Künstlerin gemacht. Was als neu entdeckte Sensibilität verkauft wird, ist in Wahrheit Eitelkeit.
 
 
(Erschienen am 1. 10. 2017 bei der "NZZ am Sonntag"; Bild: Netflix)
 

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