Ein Altherren-Film von einer Dame

Margarethe von Trotta versprach, differenziert über Ingeborg Bachmann und Max Frisch zu erzählen. Doch «Bachmann – Reise in die Wüste» bietet nur Klischees.

Der 2022 erschienene Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch ist ein Desaster für Margarethe von Trotta. Zuerst verwehrte ihr der Verlag Piper/Suhrkamp Einsicht in das Buch, das erschien, während sie am Biografiefilm über das Paar arbeitete. Dann geriet sie wegen ihrer Aussage, Frisch sei ein Monster der Eifersucht, in die Kritik und beteuerte, einen Film mit reduktionistischem Blick auf Figuren würde sie niemals machen wollen. Sie erzähle differenziert. Aber jetzt zeichnet sie in «Bachmann – Reise in die Wüste» mit simpelsten Strichen das Bild nach, das spätestens seit Erscheinen des Briefwechsels keine Gültigkeit mehr hat: Er, das Monster. Sie, das Opfer.

Trottas Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) ist ein ätherisches Wesen, so schwer leidend an der Trennung vom eifersüchtigen Max Frisch (Ronald Zehrfeld), dass ihr Freund Adolf Opel sie zur Erholung auf eine Reise in die ägyptische Wüste mitnimmt. Diese Rahmenhandlung suggeriert, es gehe um die Geschichte einer Selbstbefreiung. Dabei interessiert sich von Trotta nur für Bachmanns Leiden an Frisch.

Dieser Film ist ein Altdamen-Film. Trotta erzählt gewohnt traditionell und bieder. Mit banaler Symbolik und didaktischem Eifer stellt sie sicher, dass wir verstehen, wer gut und wer schlecht ist. Dadurch bleiben die Figuren leer und seelenlos. Auch deshalb ist der Briefwechsel ein Desaster für die 81-jährige Regisseurin: Darin zu lesen, heisst, zwei Personen mit übervollen Herzen nahezukommen – zu nahe –, die einander verfallen und sich doch nicht finden. Sie kämpfen um ihre Liebe, fügen einander Schmerzen zu, schwanken stets zwischen Bewunderung und Eifersucht, er trinkt, sie betäubt sich mit Tabletten.

In ihren Briefen und literarischen Werken ringen die beiden um die richtigen Worte, aber von Trotta lässt sie Drehbuchsätze aufsagen. Das literarische Arbeiten interessiert sie nur als dramaturgisches Mittel, um von Bachmanns Martyrium zu erzählen. Auch existieren die Figuren nur füreinander und in einem gesellschaftspolitischen Vakuum. – Aber warum und worüber schreiben sie dann?

«Wir brauchen die Darstellung des Mannes durch die Frau, die Selbstdarstellung der Frau», lässt von Trotta Max Frisch sich einmal selbst zitieren. Sie aber zeigt die Frau, die am Mann leidet, für ihn lebt und in Ägypten nach einer Nacht mit drei Männern von ihrer Depression geheilt jauchzend durch die Wüste hüpft. Hätte Ingeborg Bachmann so plump geschrieben, wie Margarethe von Trotta inszeniert, dann wäre uns dieser Film erspart geblieben.

 

 

(Am 22.10.2023 in der "NZZ am Sonntag" erschienen. Bild: Filmcoopi)

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