Ein hübsches Gefäss ohne Inhalt
«Kulturplatz» auf SRF will über das kulturelle Leben in der Schweiz berichten. Aber eigentlich feiert die Sendung vor allem sich selbst.
Was haben der Zürcher Zoo, der Ballenberg oder ein die Strafanstalt Lenzburg mit Kultur zu tun? Vielleicht mehr, als man denkt. – Diesen Eindruck versuchen jeweils auch die Moderatorinnen Eva Wannenmacher und Nina Mavis Brunner am Anfang ihrer Sendung «Kulturplatz» zu erwecken. Aber je länger man ihnen zuschaut, desto klarer wird: Falls Zoo, alte Bauernhäuser oder ein Gefängnis etwas mit Kultur zu tun haben, so wird man es hier nicht erfahren. Denn die Austragungsorte für die Kultursendung auf SRF sind bloss Mittel zum Zweck. Sie dienen einer bemüht originellen Inszenierung: wackelige Handkamera, ungewöhnliche Aufnahmewinkel, stetes Spiel mit Tiefenschärfe. Diese stimmungsvollen Aufnahmen der Schauplätze sollen jeweils Brücken schlagen zwischen verschiedenen Kurzbeiträgen und Kürzestinterviews. Nur mit den Themen, für die diese Orte stellvertretend stehen sollen, haben sie meist wenig zu tun.
In der Zoo-Sendung vom 4. September wollte «Kulturplatz» der Frage nachgehen, was der Mensch von Tieren lernen kann. Die Antworten in den Beiträgen: Manager sollen auf «Begegnungshöfen» im Ziegengehege Authentizität und Führungskompetenz lernen. Ein sprechender ausgestopfter Fuchs berichtet vom Leben in seinem geliebten Zürich. Man fragt sich, wo in der Vermenschlichung dieses Tiers der Bezug zur «Kultur» verborgen liegen mag. Immerhin: Der Architekt, der das neue Elefantenhaus im Zoo Zürich baut, sagt etwas von «Herausforderungen auf der Kulturebene», von «Chancen und Konflikten, die der Mensch mit dem Elefanten hat» und dass er dies in seinem Bau aufnehmen wollte. Leider fragt Wannenmacher nicht nach, wie. Stattdessen lobt sie den «Wow-Effekt» des Geheges und findet es «voll gelungen».
Die Sendung der letzten Woche war rund um das Museum Ballenberg drapiert. «Kulturplatz» fragte, was am Alltag in der Schweiz «typisch schweizerisch» ist. Die Antwort: Folklore. Sie stellten einen Fotografen vor, der den Zerfall seiner Heimat Appenzell dokumentiert. Dann einen Filmemacher, der sein «total mittelmässiges Dorf» portraitiert. Was daran typischer sein soll für unsere Heimat als beispielsweise der Film «Traumland» von Petra Volpe, der am Zürcher Filmfestival Premiere feierte, bleibt schleierhaft. In Volpes Film ginge es um Liebe und Untreue, Verrat und Familienfeste – Themen, die dem typischen Schweizer vermutlich näher liegen als Nachbarn in einem mittemlässigen Dorf, die einander für die Kamera verlegen die Hände schütteln und nichts zu sagen haben. Sie wolle «an Klischees kratzen», sagte Wannenmacher zu Beginn der Sendung. Aber dann sah man ihre rot lackierten Nägel nur Kühe und morsche Balken im Museum streicheln.
Laut Selbstdeklaration will «Kulturplatz» «neue kulturelle Trends zu analysieren» und sogar «wichtige gesellschaftliche und politische Debatten aus einem kulturellen Blickwinkel beleuchten». Als Zuschauer hat man allerdings den Eindruck, die Sendung wolle selber Kunst sein, statt über Kunst zu berichten. Kameraarbeit und Musikauswahl und vor allem die beiden Moderatorinnen seien wichtiger als die Maler, Fotografen oder Physikerinnen, die sie präsentieren. Hinweise auf neue Bücher, neue Bands, kommende Theateraufführungen oder Filme gibt es keine. Der «Kulturplatz» ist ein hübsches Sendegefäss ohne Inhalt.
(Für: saldo – Das Konsumentenmagazin)