Ein störrischer Träumer
Nachdem man diesen Film gesehen hat, möchte man sofort mit seinem Vater eine Reise unternehmen.
Es ist nur ein Werbebrief. Aber Woody Grand (Bruce Dern) glaubt, er habe 1 Million Dollar gewonnen. Der mürrische alte Alkoholiker macht sich zu Fuss auf, um bei der Betrügerfirma sein Geld abzuholen. Nur liegt die in Lincoln, Nebraska, Hunderte Meilen von seinem Heimatort entfernt. Seine Frau Kate (June Squibb) nennt ihn einen senilen Trottel, sein Sohn David (Will Forte) fährt den quengelnden Vater schliesslich quer durch den ganzen Staat.
Bei einem Zwischenhalt in Hawthorne, der Heimatstadt von Woody, wird der störrische Kerl mit alten Händeln konfrontiert, während David immer mehr über die Vergangenheit seines wortkargen Vaters erfährt. In Lincoln bekommt Woody dann tatsächlich keine Million, aber dafür eine Mütze, auf der «Prize Winner» draufsteht. In gewisser Weise ist er das auch.
Alexander Paynes sechster und bisher letzter Film ist ein wunderschön fotografiertes, rührendes, aber zum Glück nie rührseliges Roadmovie. Der 77-jährige Bruce Dern mit seinen zu Berge stehenden schütteren Haaren ist fantastisch, ebenso June Squibb als derbe Ehefrau; wo die Sentimentalität lauert, steht sie mit ihren bissigen Kommentaren immer schon bereit. Während die Reise durch Nebraska für Woody zur Reise in seine Vergangenheit wird, kommt David in der Gegenwart an – bei seinem Vater, den er nie richtig gekannt hat. «Nebraska» ist eine melancholische Vater-Sohn-Geschichte, eine Familiengeschichte, eine Geschichte auch über Paynes Heimat. Die schwarzweissen Bilder zeigen ein Land, das seinen Traum ausgeträumt hat. Und einen Mann, der an seinem trotzdem festhält.
Erschienen im Züritipp am 17. Dezember 2015
Bild: nytimes.com