Flirtverbot in Hollywood
Nicht mal mehr einen Witz dürfe man machen, beklagen Hollywoods Männer. Prüderie sei ausgebrochen. Aber sexuelle Belästigung beim Namen zu nennen hat mit Prüderie nichts zu tun.
Die Angst geht um in Hollywood. Von einem neuen Puritanismus ist die Rede. Nicht einmal mehr einen Spruch dürfe man machen, und schon würden die Weiber schreien: «Der hat mich sexuell belästigt!», so finden manche Männer.
Einen der Sprüche, um den es hier geht, ist nachzulesen in der Gastkolumne von Anna Graham Hunter, veröffentlicht im Branchenmagazin «The Hollywood Reporter» unter dem Titel «Dustin Hoffman hat mich sexuell belästigt, als ich 17 war». Hunter arbeitete damals, 1985, als Produktionsassistentin auf dem Set von «Death of a Salesman». Hoffman habe viel mit ihr geflirtet, schreibt Hunter, sie habe sich zunächst darüber gefreut, Aufmerksamkeit von einem Star zu bekommen. Wenn er eine Fussmassage von ihr verlangt habe, sei sie dem Wunsch nachgekommen. Wenn er ihr an den Hintern gefasst und mit ihr über Sex geredet habe, habe sie es geschehen lassen.
Eines Morgens aber, als sie von ihm die Bestellung für sein Frühstück entgegennahm, habe Hoffman vor versammelter Crew zu ihr gesagt: «Ich hätte gern hartgekochte Eier und eine weichgekochte Klitoris.» Da ging Hunter aufs Klo und weinte.
Wenn Hoffman dasselbe zu einer Freundin gesagt hätte, die mit ihm einen solchen Umgangston pflegt, und Antworten bereit hält, die im Gegenzug «knackige Wurst» enthalten, wäre Hoffmans Spruch nichts weiter als ein Spruch gewesen. Denn wenn zwei in einem genügend intimen Verhältnis zueinander stehen, dürften sie voneinander wissen, wo die Toleranzgrenzen liegen. Wenn man nicht weiss, wo für sein Gegenüber der Spass aufhört und die Herabwürdigung anfängt, hält man besser den Mund.
Bald getraue sich in Hollywood keiner mehr etwas zu einer Frau zu sagen, finden manche. Aus lauter Angst, denunziert zu werden, wie es jetzt mit Kevin Spacey, Jeremy Piven und Dustin Hoffman geschehen sei. – Ja, Sprüche und Witze zu machen gehört zur menschlichen Kommunikation. Dass man einander dabei auch mal berührt, gehört dazu. Anders wäre das Flirten unmöglich. Aber ein Flirt verdient diese Bezeichnung nur so lange, wie beide Parteien einander mit Respekt begegnen. Wer sich daran hält und echtes Interesse an seinem Gegenüber hat, wird auch die Signale richtig lesen, ob das, was man sagt oder tut, noch in Ordnung ist. So läuft niemand Gefahr, der sexuellen Belästigung beschuldigt zu werden. Frauen können Männern dabei helfen, indem sie deutlicher sagen, was sie wollen und was nicht. So kommuniziert man auf Augenhöhe. Was Hoffman tat, war eine Machtdemonstration. Sexualisierte Gewalt beschränkt sich nicht auf physische Attacken, verbales Fehlverhalten kann genauso verletzend sein.
Das beim Namen zu nennen, hat nichts mit Prüderie zu tun. Genauso wenig sind die Anschuldigungen Denunziationen. Die Annahme, Frauen würden Männer aus Rache fälschlicherweise der sexuellen Belästigung beschuldigen, entstammt demselben Narrativ wie die Opfer seien selber schuld.