Frömmelnder Krimi

In «L’apparition» soll ein Journalist herausfinden, ob eine junge Frau tatsächlich Marienerscheinungen hat. Was als Krimi anfängt, entwickelt sich zum überlangen und moralisierenden Lehrstück.

Auf die Frage: «Bist du religiös?» gibt es drei Antworten: 1) «Ja.» 2) «Nein.» 3) «Na ja, an Gott glaube ich nicht, aber schon daran, dass es eine höhere Macht gibt.» – Die Aussage, die das Drama «L’apparition» macht, entspricht in etwa der Antwort 3).

Es geht um den traumatisierten Kriegsreporter, Jacques Mayano (Vincent Lindon), der von einem französischen Kardinal in den Vatikan gerufen wird, um als Teil einer christlichen Ermittlergruppe herauszufinden, ob Anna (Galatéa Bellugi) lügt: Die junge Frau behauptet, ihr sei die Gottesmutter Maria erschienen. Seither wird das geheimnisvolle Mädchen, das in einem Heim aufwuchs und Nonne werden will, wie eine Heilige verehrt. Gläubige suchen den Ort der Erscheinung heim, ein schmeichlerischer Pater namens Anton (Anatole Taubman) lässt Anna in der Pose der verzückten Jungfrau fotografieren; die Pilger brauchen Memorabilia! Etwas Handfestes! So gezeigt, wirken sie wie Zweifler, die, weil sie Gott und die heilige Familie nur aus der Bibel kennen, sich deren Existenz versichern wollen, indem sie Anna als menschliche Manifestation ihres Glaubens, anfassen.

In «L’apparition» koexistieren die Welt des Glaubens und die andere, von Regisseur Xavier Giannoli in nüchternen Bildern inszeniert, entsprechend wird nach zwei Wahrheiten gesucht: Der Vatikan will ausschliessen, dass Anna Schindluder betreibt mit der Vorstellungskraft seiner Anhänger – sonst müsste man den Exorzisten holen –, Mayano hingegen sammelt mit detektivischem Scharfsinn Fakten über Annas Vergangenheit. Natürlich hat sie etwas zu verbergen.

Diese Tatsache rückt für den um seinen Kollegen trauernden Kriegsreporter im Verlauf des Films allerdings immer weiter in den Hintergrund. Er wird zwar nicht zum Katholiken, aber der alte Realist muss doch zugeben, dass es «einen Ort für die Seelen gibt», den Schoss einer höheren Macht also, in dem die Toten Ruhe finden. Diese Einsicht gibt er kund in einem inneren Monolog, vorgetragen mit gequält-rauer Stimme, mehr gehaucht als gesprochen. So lässt Giannoli überhaupt alle seine Figuren sprechen, er verwendet das Säuseln als klischierten Ausdruck von gläubiger Ergebenheit.

«L’apparition» ist mit über zwei Stunden mühsam lang. Der Eindruck rührt daher, dass die Handlung im Verlauf immer konstruierter und darum unglaubwürdiger wirkt; aus dem Krimi wird ein frömmelndes Lehrstück. Das irritiert und langweilt. Zumindest jene, die die Frage nach dem Glauben mit Variante 2) beantworten.

 

«L'apparition» läuft ab 24. Mai im Kino.

(Bild: Praesens Film)

 

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