Glücklichsein ist illegal
Der grandiose Dokumentarfilm «Raving Iran» erzählt von zwei iranischen DJs, die ihre Kunst nur im Untergrund ausüben können. Bis sich die Möglichkeit zur Flucht bietet.
Susanne Meures hat für ihren grandiosen Erstling in Iran Kopf und Kragen riskiert: Während Monaten hat sie Anoosh und Arash, zwei DJs aus Teheran, mit der Kamera begleitet. Beim heimlichen Komponieren ihrer Tracks, bei illegalen Partys in der Wüste, wo sie nur dank Schmiergeldern hingekommen sind.
Oft war das Handy das einzig mögliche Aufnahmegerät, und weil das Drehen so heikel war, liess sie es in die Brusttaschen von Hemden einnähen, etwa um in Teheran im Ministerium für Kultur und islamische Führung filmen zu können, wo ihre Protagonisten eine Bewilligung für die Veröffentlichung ihres Albums zu erhalten versuchen. Der Dialog zwischen der Beamtin und den beiden jungen Männern bringt die Absurditäten des totalitären Systems auf den Punkt, von denen wir hier trotz Dauerberichterstattung wenig Ahnung haben.
Überhaupt gibt Meures’ Dokumentarfilm Einblicke ins Leben im Iran, wie man es im Kino noch selten gesehen hat. Man erlebt die Repressalien mit, die Angst, aber auch das Geschick, mit dem diejenigen den Zwängen zu entgehen versuchen, die sich dem System nicht beugen mögen. Wie Anoosh und Arash. Man sieht die beiden immer wieder in ihrem Zimmer hocken, wo sie über die schwierige Gegenwart und Wünsche für die Zukunft sprechen. Man hört die Klimaanlage klackern, durchs Fenster dringt der Ruf eines Muezzins. Als Anoosh wieder einmal verhaftet wird, haben sie genug vom Versteckspiel. Sie wollen raus. Als DJ gibt es für sie die Möglichkeit, Iran auf legalem Weg zu verlassen: Sie bewerben sich an Technopartys in Europa, auch an der Lethargy in Zürich.
Bald sieht man die beiden am Fenster eines anderen, helleren, grösseren Zimmers sitzen, von draussen dringt das Geläut von Kirchenglocken herein. Sie haben es geschafft. Als ihr Visum abläuft, müssen sie sich entscheiden: Zurück nach Hause oder bleiben?
Erschienen am 27. Oktober 2016 auf nzz.ch
(Bild: ravingiran.com)