Hiebe statt Liebe

«Härte» ist ein schonungsloser, brutaler und trotzdem schöner Film über eine gestohlene Kindheit.

«Ich war ein eiskalter Block», sagt ein Mann in die Kamera, er wirkt bullig, seine Mundwinkel hängen. «Ich hatte die Härte. Aber jetzt kann ich es nicht wiedergutmachen, verdammt noch mal.» Andreas Marquart, Berliner, Karateweltmeister, wurde als Kind vom Vater misshandelt und von der Mutter missbraucht. Katy Karrenbauer als Mutter muss schauspielerisch an ihre Grenzen gegangen sein: Solche Missbrauchsszenen hat man im Kino noch nie gesehen.

Rosa von Praunheim schildert in seinem semidokumentarischen Film Marquarts Leben voller Gewalt, Hass und emotionaler Kälte. Er trifft einen mit voller Wucht. Das liegt auch an der Inszenierung: Von Praunheim erzählt mittels einer Collage aus Interviewsequenzen und in Schwarzweiss nachgestellten Szenen. Diese spielen vor Rückprojektionen, die Räume nur andeuten – das sind entrückte, gespenstisch anmutende Kulissen.

Hanno Koffler verkörpert den jungen Andreas mit faszinierend brutaler Energie. Wir sehen ihn als Zu­hälter Geldscheine bügeln, belauschen ihn, wenn er mit seinen Uhren spricht, als wären es Babys. Luise Heyer irritiert als Marion, Andreas’ scheinbar unterwürfige Geliebte, die für ihn auf den Strich geht und trotz Demütigungen nie von seiner Seite weicht. «Ich denke, ich habs gut ausgeblendet», sagt die heutige Marion, mittlerweile Andreas’ Lebensgefährtin. Sie hinterlässt den Eindruck, als rede sie sich immer noch ein, das Erlebte habe einen Sinn, als sei sie heute so naiv wie damals. Dabei war sie der einzige Mensch, der immer zu Andreas gehalten, ihn   am Leben erhalten hat. Andreas hatte die Härte. Marion die Stärke.

 

Der Film läuft ab dieser Woche im Kino.

 

(Erschienen im Züritipp am 3. September 2015; Bild: n-tv.de)