In fünfunddreissigeinhalb Stunden nach Dublin

Was passiert, wenn man nicht mit dem Flugzeug nach Dublin reist.

Um 9:35 in Zürich in den TGV einsteigen.
In Dijon der knatternden Durchsage zuhören; technische Störung, Zug vor uns, unbestimmte Verspätung.
Was essen.
Doch mal auf die Uhr schauen.
Am Gare de l’Est die Metro Nr. 14 suchen.
Froh sein, dass man zuhause noch nachgesehen hat, dass man Nr. 14 nehmen muss.
Gegen den unfassbar langsamen Billettautomaten treten.
Wo fährt der Zug nach Cherbourg?
Voie 23, à 15:10.
Die Sitze in diesem Zug sind so dick gepolstert wie Sofas.
Sich fragen, wer von denen je sein Boot benutzt, das er im Bootshaus vor seiner Villa da am Fluss liegen hat.
Ist das die Seine?
Sich fragen, ob das ein Gas- oder ein Kernkraftwerk war. Und ob es die überhaupt ohne Kühlturm gibt. Gab es auf den Bildern von Fukushima einen Kühlturm?
Waren da nicht irgendwo noch Sandwiches?
Es windet in Cherbourg.
Au port maritime, s’il vous plaît.
Feststellen, dass die strengere Sicherheitskontrollen machen, als man dachte.
Nervös werden, weil man acht Messer im Gepäck hat; ein Geschenk.
So unbeteiligt wie möglich zur Kenntnis nehmen, dass sie den Familienvater vor einem filzen.
Dem jungen Zöllner den Pass geben und ihn so gleichgültig, aber höflich wie möglich kurz anlächeln.
Durchgewunken werden.
Mitleid haben mit einem rheumatischen Schäferhund.
19:53 Uhr. Der knatternden Durchsage zuhören. This is your captain speaking. Irgendwas mit rough conditions und 4-5 Meter hohen Wellen.
Feststellen, dass es auf Fähren die allerschlechtesten Kantinen gibt.
Neben Ketchup- und Senfbeuteln, Besteck und Servietten liegen Kotztüten auf.
Über die Reling lehnen und in das schwarze Wasser starren.
Wenn da einer reinfallen würde...
Da hängen Rettungsringe, an denen es Lampen hat.
Einschlafen.
Im Morgengrauen aufwachen, weil das Schiff knarzt und zittert, wenn es gegen Wellen knallt.
Das lustig finden.
Seekrank werden.
Einschlafen.
Immer noch drei Stunden bis Rosslare.
Einschlafen.
Land in Sicht!
Rosslare hat 1990 einen Preis für die Beste Hafenanlage Europas gewonnen.
Es gibt kein Café.
Der Bus nach Dublin fährt in zwei Stunden, der Zug in drei.
Muscheln sammeln.
Zeitung lesen.
Entdecken, dass es Free Wi-Fi gibt.
Mit dem Bus schon mal nach Wexford.
Es bereuen, dass man keine wärmeren Kleider eingepackt hat.
Eine Stunde auf den nächsten Bus warten, bei einem Chinesen eine Suppe essen.
Den Zug vorbeifahren sehen, den man hätte nehmen können.
18:30 Uhr.
Nochmals zwei Stunden mit dem Bus durch die Dunkelheit fahren.
Ist das jetzt Dublin?

Mit dem Flugzeug wäre man in knapp zwei Stunden da.

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