Jetzt lacht doch mal wieder!

Je düsterer die Gegenwart, desto grösser das Bedürfnis nach Humor. Aber gute Komödien und Satiren blieben rar. Jetzt gibt es Hoffnung: Diesen Herbst kehrt das Lachen ins Kino zurück.

Wir leben im Zeitalter der Humorlosigkeit. Als ob wir uns noch nicht erholt hätten von den Trump-Jahren. Von der Zeit, als Komiker den Tod der Satire befürchteten, weil die Realität selbst grotesker wirkte als jeder Witz, den sie sich über diese hätten ausdenken können. Gleichzeitig warnten sie davor, solche inkompetenten Narzissten wie Trump oder Boris Johnson nur als Clowns zu verspotten: Damit würden diese verharmlost. Heute wissen wir, die Komiker hatten recht.

Damals hiess es, die Welt sei zu furchtbar, um darüber zu lachen. Das Onlinemagazin «Vulture» schrieb 2018 von der «Post-Comedy». Selbst Stand-up sei jetzt ernst. Zum Beispiel «Nanette» von der australischen Comedienne Hannah Gadsby.

Was an Humor noch möglich war, war entweder düster wie bei ihr oder wirkte ernst und aufklärerisch wie bei den Satirikern John Oliver, Trevor Noah oder Hasan Minhaj. Das Lachen von zuvor wich einem tonlos-besorgten Grinsen in verzogenen Gesichtern. Als ob, wer lachte, sich verdächtig machte, den Ernst der Lage nicht ernst genug zu nehmen.

Und heute? Da präsentiert sich die Welt nicht weniger furchtbar, und die Humorlosigkeit grassiert weiter. Dabei gäbe es Phänomene, die bei näherem Betrachten schon so groteske Züge tragen, dass man noch so gern gemeinsam mit anderen darüber lachen möchte.

Im Streit um kulturelle Aneignung etwa, wo von Befürwortern wie Gegnerinnen Argumente vorgebracht werden, die einer Realitätsprüfung nicht standhalten. Oder wie Medien sich abarbeiten an Reizwörtern wie «Transgender» und «Woke-Wahnsinn». Oder wenn Reiche mit ihren Autos oder mit Cashmere ausgekleideten Privatjets prahlen. Aber Satire – die jenseits des herablassenden Witzes liegt – ist riskant geworden. Wer das Groteske ins Absurde steigert, muss mit Klagen rechnen.

Penetrante Ernsthaftigkeit

Diese Humorlosigkeit ist ein Symptom für den Zustand der Gegenwart. Diese ist geprägt von einer penetranten Ernsthaftigkeit. Von Gereiztheit, Hass und Hetze, geäussert und immer weiter angeheizt auf Social Media. Die Flucht vor der Realität in allerlei Ideologien hat in totale Diskursunfähigkeit gemündet.

Wir benehmen uns wie Figuren aus «Game of Thrones»: alle im Kampf gegen alle. Es gilt das Recht des Stärkeren. Coolness, Empathie und das Eingestehen der eigenen Verletzlichkeit sind out. Vielleicht ist das eine Reaktion auf Ungewissheiten und eine Verunsicherung, wie unsere Generation sie noch nie erlebt hat. Das macht Angst.

Was würde da besser helfen als Humor? Man spürt es dann, wenn man per Zufall darauf stösst. Auf die Comedienne Celeste Barber etwa, die auf Instagram Videos von Influencerinnen parodiert, in denen diese sich sexy im Pool räkeln, sexy Eis essen, sexy Gymnastik machen. Barber spielt diese Videos nach, aber weil sie aussieht wie ein echter Mensch und nicht wie das Resultat von plastischer Chirurgie und Fitnessregime, entlarvt sie die Lächerlichkeit solcher als weiblich geltenden Posen und mokiert sich über den grassierenden Zwang zum Selbstmarketing auf Social Media.

Wenn man sich prustend ihre Videos anschaut, will man immer noch mehr davon. Weil Humor entspannt und dadurch eine angenehme Distanz schafft zu dem, was an der Gegenwart überfordert und ärgert. Humor sei freundlich, aber pessimistisch, sagte der britisch-amerikanische Autor W. H. Auden. Humor gehe nicht davon aus, dass die menschliche Natur sich ändern lasse, aber man könne das Beste aus der Sinnlosigkeit machen und wenigstens darüber lachen.

Wenn es davon heute doch nur mehr gäbe in der Literatur, im Film oder auf den Bühnen! Stattdessen reflektiert das Kulturschaffen – Ausnahmen vorbehalten – diese ängstliche Erstarrung angesichts der düsteren Gegenwart. Die Kultur hat ein Problem mit der Realität.

Manche Theatermacher holen sie möglichst ungefiltert auf die Bühne, lassen sie nachspielen von echten Betroffenen. Als ob Unfassbares dadurch fassbarer gemacht würde. Wenn Behinderte oder Geflüchtete sich selbst spielen, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, da würden Schicksale zum Konsumgut für Privilegierte. Betroffenheit als Kalkül. Mit Humor auf die Realität zu blicken, hiesse, sie zu transformieren, statt das, was bereits ist, bloss zu wiederholen.

Leiden als Content

Manche Autorinnen oder Regisseure ziehen sich auf sich selbst zurück, verarbeiten private Erschütterungen zu Romanen oder Dokumentarfilmen, die – wenn dem Erzählen das Universelle fehlt – die Urheberinnen und Urheber mehr angehen als das Publikum. Dieses wird in die Rolle von Voyeuren gezwungen, ähnlich wie im Realitätstheater.

Und ähnlich wie in Filmen und Serien, die auf wahren Begebenheiten beruhen und von denen es immer mehr gibt. Netflix verwandelt en masse menschliche Tragödien und Lebensbeichten von Massenmördern in leicht bekömmlichen «Content». Mittlerweile werden auch von anderen Firmen fast wöchentlich neue Verfilmungen von realen Ereignissen angekündigt. Vergangene Woche «Hot Take: The Depp/Heard Trial». Der Gerichtsstreit von Johnny Depp und Amber Heard, der bereits auf Youtube übertragen wurde, wird jetzt von Tubi, dem Gratissender von Fox, zur Serie gemacht.

Im Kino dominieren derweil Märchen für Erwachsene das Box-Office. Welten, die aus Pixeln generiert sind, bevölkert mit Elben, Drachen oder muskulösen Übermenschen im engen Kostüm. In diesen Welten herrscht Ordnung. Gut und Böse lassen sich leicht voneinander unterscheiden, eine absolute Macht herrscht über alles. Dieser wird entweder gehuldigt, oder sie wird bekämpft und durch eine neue absolute Macht ersetzt. Wer sich nicht fügt, stirbt. Es ist eine totalitäre Ordnung. Im Film zieht in Bann, was in der Realität Angst macht.

Umso grösser die Erleichterung, wenn es ab und zu jemand wagt, lustig zu sein. Sich mit Witz auf die Gegenwart bezieht, und damit eine Distanz zu dem Überfordernden schafft. Humor entspannt, weil er, wenn er intelligent ist, Absurdes entlarvt, das man vor lauter verbissener Ernsthaftigkeit nicht mehr sehen konnte. Manchmal ist Lachen der einzig mögliche Ausweg aus einer verfahrenen Situation.

Das Bedürfnis nach humoristischer Entspannung kann man im Kino am Erfolg von so selten gewordenen Komödien oder Satiren ablesen. 2016 war es die Superhelden-Parodie «Deadpool», 2019 «Knives Out», die Krimikomödie mit Daniel Craig als Detektiv Benoit Blanc. Teil zwei, «Glass Onion», wird jetzt sehnlichst erwartet. Wes Anderson wurde mit seinem bittersüssen Blick auf die dem Leben inhärente Tragik vom Arthouse-Regisseur zum Superstar.

Es ist nicht geklärt, wer den Satz geprägt hat, aber er ist wahr: Mit zeitlichem Abstand wird Tragisches zur Komödie. Ist jetzt genügend Zeit vergangen? Es sieht so aus, als ob es diesen Herbst so weit sei: Der Humor kehrt ins Kino zurück. Es finden sich ungewöhnlich viele Komödien im Programm. In «La dégustation» etwa beschliessen zwei alternde Einsame, nicht länger allein sein zu wollen. In «Bros» finden zwei Männer auf Umwegen zueinander. Til Schweiger will uns mit der Tragikomödie «Lieber Kurt» zum Lachen und zum Weinen bringen.

Guter Humor meint nicht die einfache Pointe oder den herablassenden Witz. Diese Form von Comedy spaltet. Guter Humor beinhaltet die Schwere der Welt, die wir erst im gemeinsamen Lachen als Problem entdecken. So wohltuend gemeinsam genossene Komödien sind, die angemessenere Form von Auseinandersetzung mit unserer Zeit ist die Satire.

Diese sei wütend und optimistisch, meinte der Autor W. H. Auden. Satiriker glaubten, indem sie Übles attackierten, könne dieses überwunden werden. Aber Satire kann die Welt nicht retten. Sie ist vielmehr ein Mittel, um zu Missständen eine Distanz zu gewinnen. Sie bietet Katharsis an, wie es die griechische Tragödie tut. Bloss, dass man lacht statt weint – etwa in satirischen Filmen wie «Triangle of Sadness» oder «Der Nachname», die ebenfalls diesen Herbst anlaufen.

Wie der gute Humor braucht auch die gute Satire den Bezug zur Schwere der Welt: Während des Gelächters spüren wir, dass etwas von uns abfällt, und im besten Falle löst dieser kathartische Moment eine Annäherung aus und führt in ein gemeinsames Grübeln.

 

 

(Zuerst erschienen am 17. September 2022 in der «NZZ am Sonntag». Bild: Rolf Konow)

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