Kämpferin im Namen der Liebe

Wie die Suffragetten, seine Ehefrau und seine Geliebte W. M. Marston zu «Wonder Woman» inspiriert haben

Nachdem Hitler 1939 in Polen einmarschiert war, beschloss der Verlag All-American Publications, Batman seine Waffen wegzunehmen. Superhelden sollten keine Soldaten sein, sondern Zivilisten. 1940 geriet auch Superman in die Kritik. Er sehe aus wie ein Faschist. Es entbrannte eine Kontroverse darüber, ob die boomenden Comics Kinder zu Gewalt erzögen.

William Moulton Marston, Psychologe, Autor und Erfinder, widersprach in einem Interview. Der Verlag fand dieses so überzeugend, dass er ihn als beratenden Psychologen einstellte. Als solcher überzeugte Marston seinen Chef ein wenig später, dass der Welt eine Superheldin fehle. Eine, die so schön ist wie Aphrodite, kriegerisch wie eine Amazone und die für Menschlichkeit statt Zerstörung kämpft. 1941 erschien «Wonder Woman» zum ersten Mal und wurde sofort zum Erfolg.

Marston gilt zwar als ihr Schöpfer, aber ohne seine beiden Frauen gäbe es die Heldin nicht. Das Interview, das ihm den Job bei All-American Publications verschaffte, hatte eine der beiden geführt: Olive Byrne. Sie verschwieg, dass sie mit Marston liiert war und mit diesem und dessen Frau, der Juristin Elizabeth Holloway, in einer Dreiecksbeziehung mit vier Kindern lebte.

Was es mit dem Trio und ihrer Superheldin auf sich hat, das erzählt die Autorin und Historikerin Jill Lepore in ihrem enorm ausführlich recherchierten und ebenso unterhaltsamen Buch «Die geheime Geschichte von Wonder Woman». Zu dieser Geschichte gehört, wie Holloway und Byrne ihre wichtigsten Merkmale prägten: die Armbänder und das Lasso der Wahrheit. Letzteres geht auf die Tüfteleien am Lügendetektor zurück, an denen Marston mit Elizabeth Holloway arbeitete. Erstere auf Olive Byrnes Vorliebe für Bondage. Die wichtigste Inspirationsquelle für Wonder Woman waren aber die Suffragetten. Marston war Feminist, er beteiligte sich am damals in den USA erst richtig laut werdenden Kampf der Frauen für Gleichberechtigung.

Weil Jill Lepore die Schilderungen über dieses rebellische Trio in seinem historischen Kontext verankert, ist die Geschichte von Wonder Woman auch eine des damaligen Amerikas und der Comics als Spiegel seiner Moralvorstellungen.

 

(Zuerst erschienen am 27. März 2022 in der «NZZ am Sonntag». Bild: DC)

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