Leben ohne Ende
Wenn die Schauspielerin Blake Lively einst graue Haare bekommt, wird sie sie wohl färben. Als Adaline, Livelys Filmfigur, ihr erstes weisses Haar entdeckt, ist das ein Zeichen grossen Glücks: Adaline, 1908 geboren, hatte 1937 einen Autounfall, bei dem sich durch eine Kombination von Erfrieren und Blitzschlag ihre DNA so veränderte, dass die Frau für immer 29 bleiben sollte. Wie das funktioniere, werde man erst im Jahr 2035 wissen, erklärt die Erzählerstimme, die den Zuschauer durch die fantastische Romanze des amerikanischen Jungregisseurs Lee Toland Krieger führt.
Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, nimmt die ewig Junge alle zehn Jahre eine neue Identität an. Sie kann keine dauerhaften Beziehungen eingehen. Nur ihre Tochter (Ellen Burstyn) weiss um ihr Geheimnis. Als Adaline aber Ellis (Michiel Huisman) kennen lernt und er sie seinen Eltern vorstellen will, glaubt Ellis’ Vater (Harrison Ford), in ihr seine einstmalige grosse Liebe wiederzuerkennen. Adaline ergreift die Flucht und hat einen zweiten Unfall mit magischen Folgen.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass eine Ode auf das Altern ausgerechnet aus Hollywood kommt, von dort, wo besonders die Frauen mit Spritze und Skalpell gegen die Spuren der Jahre kämpfen. Andererseits haben Altern und Unsterblichkeit das Kino schon immer beschäftigt, ob in Komödien, Science-Fiction- oder Vampirfilmen. Auch der Film selbst hat schon manch einen unsterblich gemacht.
Regisseur Krieger nimmt diese Unsterblichkeit nun wörtlich und erklärt in einer sehr schön gefilmten, aber reichlich kitschigen Geschichte, dass dieser Zustand, wenn es ihn gäbe, nicht glücklich machen würde, sondern einsam. Denn während für Adaline die Zeit stehen bleibt, geht das Leben um sie herum weiter. Und statt daran teilzunehmen, kann sie nur noch Zuschauerin sein.
Schade ist, dass Livelys Adaline sehr leblos bleibt. Ihre stets sachten Bewegungen und ihre noch sachtere Sprechweise sollen wohl Altersweisheit ausdrücken, verleihen ihr aber nur eine Aura der Gleichgültigkeit. Selbst die Liebe zu Ellis wirkt eher höflich als leidenschaftlich. Interessanter sind die Figuren, die von Ellen Burstyn und Harrison Ford verkörpert werden: Ihr fortgeschrittenes Alter und das Wissen um ihre Sterblichkeit machen sie umso lebendiger.
Erschienen im Züritipp am 11. Juni 2015