Let's dance!
Und wenn ich wirklich Tänzerin geworden wäre? – Eine Glosse zum Start von «Zürich tanzt».
«Electro-SwingerInnen, wir suchen euch», heisst es auf der Homepage von Zürich tanzt. Electro-Swing? Was soll das denn sein? Ich tippe den Begriff auf Youtube ein und klicke auf das erstbeste Video. Ein schlaksiger Mann in Anzug und Hut steht da, Musik setzt ein. 30er-Swing, unterlegt mit Electrobeats. Schon wirbelt er über das Parkett, sieht aus, als ob er seine Gliedmassen von sich werfen würde, schnell und so elegant. – Kann doch nicht so schwer sein. Ich versuche, mitzumachen. O je. Ich brauche ein Electro-Swing-Tutorial. Klick. Der erste Grundschritt. Das kommt mir bekannt vor. Das hat uns unser Vater damals beigebracht. Charleston nannte er es, und wir hüpften wie kleine Josephine Bakers durch die Stube, Füsse einwärts, auswärts, einwärts, bis die Fusssohlen brannten. Nach ein paar Minuten kann ich es wieder. Grundschritt zwei. Ich tanze vor meinem Laptop rum, bis der Schweiss tropft.
Früher ging das einfacher. Als es nur das Tanzen gab. Das erste Mal auf Spitzenschuhen wackeln, ich spüre es noch. Oder das erste Mal als kleine Elevin von einem der grossen Tänzer der Kompanie hochgehoben zu werden. Alexandre Monachov hiess er. Seine Muskeln, sein Schweiss in den dunklen Locken, sein selbstvergessenes Gesicht. Was wäre, wenn ich wirklich Tänzerin geworden wäre, wie ich es einmal vorhatte? Dann wäre ich jetzt Rentnerin. Oder kurz davor.
Ich vermisse es. Tanzen ist wie Sprechen ohne Worte. Es macht glücklich. Ich kann nicht verstehen, wie manche, wenn sie Musik hören, höchstens ein wenig mit dem Fuss wippen. «Wie siehst du denn aus?», fragt mein Freund, als er nach Hause kommt. Ich zeige ihm, was Electro-Swing ist. «Am Zürich-tanzt-Wochenende könnte man das ausprobieren. Und noch viel mehr», sage ich. «Such dir was aus. Dann finden wir heraus, ob ich auch tanzen kann.» Sagt er.
(Erschienen am 12. Mai 2016 im Züritipp. Bild: Filmstill aus «The Red Shoes» von Michael Powell und Emeric Pressburger)