Liebes Glück
Ein Messerwerfer tut sich mit einer Lebensmüden zusammen. Kommt das gut?
Gabor (Daniel Auteuil) findet seine Frauen auf Brücken. Er spricht sie an, wenn sie am Geländer stehen, unsicher, ob sie springen sollen. Diesmal ist es Adèle (Vanessa Paradis), der er vorschlägt: «Statt dich umzubringen, arbeite für mich.» Er ist Messerwerfer, es kann immer sein, dass er sein Ziel verfehlt. Adèle springt trotzdem, aber Gabor rettet sie und nimmt sie mit auf Tournee. Er fesselt sie mal an eine Korkwand, mal an ein Rad, die Messer schlagen so dicht neben ihr ein, dass die Klinge sie ritzt. Es ist, als ob er Adèle festhalten wollte, sie, die Heimatlose, Promiskuitive, von der man kaum weiss, wer sie ist. Von Gabor weiss man es noch weniger.
Regisseur Patrice Leconte («Le mari de la coiffeuse») gewährt dem Zuschauer Einblick in das Leben von zwei Fremden, die einander in kurzer Zeit viel näher kommen als manches Paar, das man aus anderen Liebesfilmen kennt. Je spektakulärer Gabor seine Auftritte gestaltet, desto grösser wird Adèles Leidenschaft, desto stärker aufgeladen die Atmosphäre, die geprägt ist von Gefahr, Vertrauen und zurückhaltender Erotik. Paradis’ Spiel verleiht Adèle eine Aura von Naivität, gepaart mit der Weisheit einer Unglücklichen. Auteuils Gabor ist so stoisch, dass man ihn für gleichgültig halten könnte – hätte er nicht dieses Funkeln in den Augen.
Auch wenn es um Melancholiker geht, ist die Geschichte, gefilmt in wunderschönen Schwarzweissbildern, von einer zauberhaften Leichtigkeit. Dank des Humors, der auch frühere Filme von Patrice Leconte auszeichnet, ist «La fille sur le pont» ein kluger, amüsanter Film über menschliche Schwächen, über die Liebe und das Glück.
Erschienen im Züritipp am 5. Februar 2015