Mit ihm lacht ganz Deutschland
Warum nur ist Matthias Schweighöfer so erfolgreich? Eine Begegnung.
«Krass, Mann!», ruft Matthias Schweighöfer aus, zurückgelehnt in ein riesiges Sofa in einem Berliner Luxushotel. Er schaut auf seinem iPhone die Favoriten für die Academy Awards an, allen voran «The Revenant». «Wenn der Iñárritu schon wieder ’n Oscar kriegt! Zweimal hintereinander! Das – gibt – es – doch – gar – nicht!» Er wirkt so, wie man ihn von der Leinwand kennt: eifrig, energiegeladen, engagiert. Aber weniger fahrig. Er trägt schwarze, enge Jeans, ein schwarzes Hemd, die Ärmel gerade weit genug, um seinem Bizeps genügend Platz zu lassen. Wenn man Schweighöfer, 34, auf der Leinwand sieht, fällt gar nicht auf, wie trainiert er ist. Diese Muskeln passen nicht recht zu seinem Jungengesicht, das seine weiblichen Fans so lieben. Warum nur? «Ich bin ein lustiger Typ. Und Frauen lieben Humor. Ich strahle wohl so was wie Verantwortung aus. Da denken Frauen: ‹Ach, mit dem könnte man sein Leben verbringen.›»
Leonardo DiCaprio werde den Oscar sicher gewinnen, sagt er. Alicia Vikander hoffentlich. Seine eigenen Filme hätten in Amerika keine Chance. «Da müssten wir schon ’n bisschen was anderes bauen.» Klar träume er davon, «auf der ganzen Welt zu zeigen, was man kann».
Dabei hat er schon in Hollywoodproduktionen mitgewirkt. In «Valkyrie» spielte er 2008 an der Seite von Tom Cruise einen Nazi. Aber ein Star ist Schweighöfer vorerst nur im deutschsprachigen Raum. Hier ist er der Mann fürs Komische. Angefangen hat der Sohn eines Schauspielerehepaars mit 16 beim Fernsehen. Er hat beim «Tatort» und «Dr. Stefan Frank – der Arzt, dem die Frauen vertrauen» Erfahrungen gesammelt, der Durchbruch kam 2003 mit «Soloalbum», einer Liebeskomödie nach dem Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre.
Zurzeit ist Schweighöfer im Kino im Film «Der geilste Tag» zu sehen, den er mitproduziert hat. Die wenig originelle Komödie erinnert an «Knocking on Heaven’s Door» erinnert, an dem Schweiger mitgeschrieben hat. Das war 1997, zehn Jahre bevor Schweiger Matthias Schweighöfer in seinen höchst erfolgreichen Komödien «Keinohrhasen», «Zweiohrküken» und «Kokowääh 2» mitspielen liess und ihn zu seinem Zögling machte. Mittlerweile ist sein Schüler zu seinem wichtigsten Konkurrenten herangewachsen. Wie Schweiger hat er eine eigene Produktionsfirma gegründet, Pantaleon Films, und produziert seine Titel mit der deutschen Niederlassung des Hollywoodstudios Warner Bros. Schweighöfer macht auch mit genau demselben Konzept Karriere wie Schweiger: mit Komödien über Probleme des einfachen Mannes. Das kann man schon an seinen Filmtiteln ablesen: «What a Man», «Schlussmacher», «Vaterfreuden», «Der Nanny».
Die Figuren, die Schweighöfer spielt, erinnern an Protagonisten aus Screwball-Komödien: weltfremde Sonderlinge, die an Frauen geraten, die zwar schräg, aber selbstbewusster sind als sie selbst. Nervöse Männer in der Krise sind Schweighöfers Spezialität. «Männer in der Krise?», fragt er und sieht so aus, als ob er sich das noch nie überlegt hätte. «Vielleicht wirkt das so, weil ich mich mit meinen eigenen Figuren am wenigsten beschäftige, wenn ich Drehbücher entwickle.» So witzig Schweighöfer als Schauspieler ist, so glanzlos wirkt er im Gespräch. Danach gefragt, was für ihn eine gute Komödie ausmache, sagt er: «Man muss lachen und heulen können.» Die Frage, wie er eine Komödie konzipiere, beantwortet er mit: «Ich glaube, man braucht ein ernstes Grundthema, um das dann auseinanderzunehmen und zu sehen, worüber man lachen könnte.» Er überlegt. «Wenn jemand etwas zu verlieren hat, ist es interessant zu sehen, wie er darum kämpft.» Auch wenn seine Antworten knapp ausfallen, so wirkt er doch engagiert, kommt auf ein Thema zurück, wenn ihm noch mehr dazu einfällt. Zu seinen Figuren fügt er an: «Vielleicht müsste ich ihnen mehr Aufmerksamkeit widmen. Zwei Jahre mehr Entwicklungszeit wären nicht schlecht. Ein Film müsste reifen wie ein Wein. Aber meine Firma muss auch Umsatz machen, ich muss Löhne bezahlen!»
Man merkt Matthias Schweighöfer den Unternehmer an. Er ist das Gegenstück zu seinem Kollegen Christian Petzold, der aufrüttelnde Dramen wie «Barbara» oder «Phoenix» macht, der einen eigenen Stil entwickelt hat und sein Publikum ebenso bildet wie unterhält. Das interessiert Schweighöfer wenig. «Petzold macht schon gute Filme. Aber die spielen halt nichts ein. Damit kriegst du Preise auf Festivals, was toll ist, aber die vielen Leute, die ins Kino gehen und für eine Karte zahlen, hast du nicht.»
Er selber will im Kino auch lieber unterhalten werden, als sich mit schweren Schicksalen zu belasten. «Das Kino ist für mich ein problemfreier Raum.» Er lächelt versöhnlich, legt die Hände über dem Kopf zusammen, streckt sich, bis die Wirbelsäule knackt. Dann beschwert er sich darüber, dass die Deutschen Gewohnheitstiere seien, dass er auch mal neue Genres ausprobieren möchte, Science-Fiction zum Beispiel. Andererseits profitiert er von ebendiesen Gewohnheiten: «Man verlässt sich auf das, wovon man weiss, dass es funktioniert. Wenn das gut geht, dann kann man auch an ernstere Themen ran.» Schweighöfer ist ein sehr guter Unternehmer. Seine Filme gehören zu den erfolgreichsten in Deutschland: «Schlussmacher» haben sich 2,6 Millionen Zuschauer im Kino angesehen, «Vaterfreuden» 2,4, «Der Nanny» 1,7. Und eben wurde bekannt, dass er für den Streaming-Dienst von Amazon die erste eigene Serie dreht. Sie heisst «Wanted», er spielt darin einen Mann, der einem Hackerangriff zum Opfer fällt.
Danach gefragt, was er vom politischen Engagement seines Freundes Til Schweiger halte, der sich für Flüchtlinge einsetzt, meint Matthias Schweighöfer, er halte sich da lieber zurück. Er müsse schliesslich nicht der Tausendunderste sein, der zur umstrittenen Willkommenskultur von Kanzlerin Merkel auf Social Media seinen Senf dazugebe. Er werde auch keine Flüchtlings- oder Neonazikomödie machen, meint er. Das Thema sei zu krass. «Das will ja auch keiner sehen.» Obwohl – wie viel die Hitler-Komödie «Er ist wieder da» wohl eingespielt habe? Es sei ja nicht falsch, solche Filme zu machen. Aber vor der Frage nach der Politik kommt für Matthias Schweighöfer eine andere: Wen kriege ich damit ins Kino?
Erschienen am 28. Februar 2016 in der NZZ am Sonntag.
(Bild: bz-berlin.de)