Nur eine schöne Frau ist eine gute Frau
«I Feel Pretty» will uns ermutigen, uns so zu lieben, wie wir sind. Aber die Komödie mit Amy Schumer propagiert das Schönheitsideal, das er zu kritisieren vorgibt.
Im Glauben, endlich perfekt zu sein, entwickelt Renee das Selbstvertrauen, das ihr immer gefehlt hat. Sie spricht jetzt Männer an, und diese sind fasziniert von ihr. Bald ist ihr Singledasein zu Ende, und den Traumjob als Empfangsdame bei der Kosmetikfirma Lily LeClaire bekommt sie auch.
Hemmungsloser Körpereinsatz
Auf den ersten Blick wirkt der neue Film des Romantic-Comedy-Autorenduos Marc Silverstein und Abby Kohn so, als ob er Frauen sagen wollte: Ihr seid perfekt, so, wie ihr seid. Ihr könnt auch glücklich sein, wenn ihr nicht ausseht wie der Nachwuchs von Barbie und Ken. Alles, was es braucht, um attraktiv und glücklich zu sein, ist Selbstvertrauen.
Das Problem ist nun, dass Renee diese Selbstsicherheit erst nach einem Schlag auf den Kopf erlangt und auch fast für die gesamte Dauer des Films in diesem sich selbst entfremdeten Zustand bleibt. Das bietet Stoff für einige sehr lustige Szenen, die dem entsprechen, was man von der Komikerin Amy Schumer kennt: hemmungslosen Körpereinsatz, offensive Ehrlichkeit, Tritte in jeden Fettnapf. Bis man realisiert, dass man über eine Frau lacht, die ihren Körper hasst, die ihre paar überflüssigen Kilos zurzeit bloss darum nicht als Mangel sehen kann, weil sie nicht ganz bei Trost ist. Ganz anders ihr Freund Ethan (Rory Scovel): Bei einem Bikini-Wettbewerb, an dem Renee eine Show abzieht und all die langweiligen Durchtrainierten überstrahlt, schämt er sich für sie. Als sie nach dem Sex in ihrer Üppigkeit nackt am Fenster steht, ist ihm das peinlich. Und warum findet Renee ihren Traumjob nicht in einem Chemielabor oder einer IT-Firma, sondern ausgerechnet bei einem Kosmetikkonzern?
Diese Komödie befeuert, was sie zu kritisieren vorgibt: dass das Streben nach Schönheit das Wichtigste sei im Leben einer Frau. Das ist eine zweifelhafte Botschaft, weil der Zwang, hübsch auszusehen, aus Frauen Mängelexemplare macht: «Was Frauen als schmeichelhafte Idealisierung ihres Geschlechts akzeptieren, ist ein Mittel, um ihnen das Gefühl zu geben, unzulänglich zu sein», schrieb Susan Sontag in ihrem Aufsatz «A Woman’s Beauty – A Put Down or Power Source». Die Unzulänglichkeit beschränkt sich nicht nur auf das Aussehen, sondern betrifft auch das Können von Frauen.
Wenn die Schweizer Wirtschaftsjournalistin Patrizia Laeri «Hobby-Model» genannt wird, spricht man ihr ihre Fachkompetenz ab. Dasselbe tat die «Daily Mail», die am Treffen zwischen der britischen und der schottischen Premierministerin Theresa May und Nicola Sturgeon mehr die Beine der Politikerinnen interessierte als das, was sie zum Brexit zu sagen hatten. Frauen auf ihr Äusseres zu reduzieren, ist eine Ausprägung von Sexismus, mit der sich unliebsame Konkurrenz vom Hals halten kann, wer im Zuge von Emanzipation und Gleichberechtigung die als naturgegeben empfundene Ordnung in Gefahr sieht und sich von weiblicher Konkurrenz bedroht fühlt.
Das Schönheitsideal verleite aber auch die Frauen zu einer Art der Selbst-Unterdrückung, schreibt Sontag: «Frauen wird beigebracht, ihren Körper in Einzelteilen zu sehen: Brüste, Hüften, Taille, Nacken, Augen, Nase, Teint, von denen höchstens einzelne nach strenger Prüfung für gut befunden werden. Zufrieden wäre man nur mit absoluter Perfektion.» Doch wehe, jemand erreicht diese. Schönheit ist akzeptabel, solange sie unerreichbar bleibt. Das Streben danach macht uns zu Leidensgenossinnen. Aber wer als schön gilt und es sogar wagt, sich so zu nennen, der schlägt schnell Hass entgegen und es werden charakterliche Mängel attestiert. Auch in «I Feel Pretty» dauert es nicht lange, bis Renees neu gewonnene Selbstsicherheit ihren besten Freundinnen gegenüber in Arroganz kippt.
Schumers Comedy ist brutal gut
Amy Schumer, die mit ihren Rundungen selbst nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht, hat aus diesem vermeintlichen Mangel eine erfolgreiche Karriere gemacht. Aber es ist ein Unterschied, ob eine Frau ihren Körper selber zum Thema macht oder ob sie in einer Komödie zu unserer Belustigung und auf ihre Kosten – pardon – den dicken Hanswurst spielen muss. Bei Schumers Stand-up-Comedy beschleicht einen nie das Gefühl, man lache sie aus. Man kann sich zwar wundern, warum es in ihrer Comedy stets um den Körper geht. Aber was sie damit in ihrer Serie «Inside Amy Schumer» (seit 2013) anstellt, ist brillant. Da führt sie sexistische Klischees ad absurdum, dass es weh tut.
Nicht die Komödie «I Feel Pretty», sondern Amy Schumers Comedy lehrt uns – nicht nur Frauen, übrigens –, über sich selbst zu lachen und sich selber nicht allzu ernst zu nehmen. Das ist der beste Weg zu mehr Selbstvertrauen und vermutlich mehr Attraktivität.
(Erschienen am 6. Mai in der «NZZ am Sonntag». Bild: Ascot Elite)