#OscarsSoLangweilig

Die Dankesreden werden in diesem Jahr politischer sein. Trotzdem könnte man sich die Verleihung der Oscars getrost sparen.

Die Oscars sind die pompöseste und langweiligste Filmveranstaltung des Jahres. Die Zeremonie dauert über vier Stunden. Überraschungen gibt es keine, weil in den Wochen davor bereits die Golden Globes, die Screen Actors Guild Awards und die Writers Guild of America Awards verliehen wurden. Man hat das Interesse an den überall gleichen Nominierten schon verloren, bevor die Oscar-Show überhaupt begonnen hat.
 
Mitmachen beim Kampf in den Hauptkategorien kann theoretisch jeder. Praktisch aber nur, wer es geschafft hat, dass ein Kino in Los Angeles County seinen Film im laufenden Jahr während sieben Tagen und als Premiere gezeigt hat. Es gelingt fast nur englischsprachigen Filmen, einen so starken US-Verleiher zu finden, der das ermöglicht. Aussichten auf eine Nomination haben am Ende diejenigen, die über das Millionenbudget verfügen, das es braucht, um die Aufmerksamkeit der mittlerweile rund 7000 Academy-Mitglieder zu erregen. Anders kann man sich nicht aus der Flut von Filmen herausheben, die in der Oscar-Saison, also zwischen Spätherbst und dem 31. Dezember, jeweils anlaufen.
 
Meisterwerke voller Klischees
 
Diese Filme – für die ihre Produzenten Spezialvorführungen bei den grossen Studios und Partys mit prominenten Gästen organisiert haben, Inserate geschaltet und wenn nötig auch Intrigen gegen die Konkurrenz lanciert haben – werden als «Meisterwerke» verkauft. Dabei sehen zu viele von ihnen so aus, als ob sie nur für die Oscars gemacht worden wären. Wer ein paar Regeln befolgt, hat tatsächlich Gewinnchancen.
 
«Best Picture»: Mach ein Drama. Oder einen Historienfilm. Komödien und Science-Fiction-Filme gewinnen nur selten, selbst so brillante Werke wie «Alien» oder «2001: A Space Odyssey» schafften es nicht. Behandle Rassenprobleme. Am besten in einem historischen Stoff. Der lässt sich idealisieren, und die zeitliche Distanz erlaubt Betroffenheit ohne Schuldgefühle. Achte auf die eindeutige Trennung von Gut und Böse. Beantworte Fragen, statt welche aufzuwerfen.
 
«Best Director»: Sei ein Mann. Kathryn Bigelow ist bis heute die einzige Gewinnerin.
 
«Best Actor» oder «Best Actress»: Nimm zu. Nimm ab. Mach dich hässlich. Leide physisch oder psychisch, sei aber nicht zu komplex. Frauen haben die besten Chancen, wenn sie Hysterikerinnen oder Kranke spielen. Das gefällt den weissen alten Männern in der Academy, die seit 1929 darüber bestimmen, was gutes Kino ist.
 
Nach Protesten gegen die #OscarsSoWhite hat die Academy dieses Jahr eilig 683 neue Mitglieder eingeladen, unter ihnen so viele Frauen und «ethnische Minderheiten» wie noch nie. Das klingt nach Schuldbewusstsein, aber nicht nach struktureller Veränderung. Die Academy ist immer noch zu 73 Prozent männlich und zu 89 Prozent weiss. Wenn ein Umdenken stattgefunden hätte, wäre nicht «La La Land» in 14 Kategorien nominiert, sondern der in jeder Hinsicht überragende Film «Moonlight». Oder «Hidden Figures» oder «Fences», die drei «schwarzen Filme» dieses Jahrgangs. Dass es trotzdem das Musical ist, entlarvt die letzteren drei als Quotenfilme und beweist: Bei den Oscars feiert Hollywood sich und seinen Mythos, da demonstrieren die legendären Studios ihre Macht. Nur die Filmkunst ist sekundär.
 
Trump macht Oscars unterhaltsam
 
Themen wie Rassismus, Xenophobie und Sexismus, von denen man sich wünschen würde, dass sie auch im kommerziellen Filmschaffen ehrlich reflektiert würden, werden am Rednerpult verhandelt. Müssen sogar verhandelt werden, denn wer heute Nacht nichts zu Trump sagt, dessen Schweigen könnte missverstanden werden. Während man früher ausgebuht wurde für politische Statements, sind diese heute ein Accessoire wie die geliehenen Diamantohrringe.
 
Diese Nacht wird es viel mehr um Trump gehen als um Kunst. Die «New York Times» hat unter dem Hashtag #OscarsSoOrange bereits ein entsprechendes Trinkspiel lanciert. Tatsächlich haben der Präsident und die Oscars etwas gemeinsam: Weil sie an Charakterschwäche leiden, sind sie feinstes Futter für Satire. Der Komiker Seth Meyers stellte am Dienstag in seiner Show «Late Night» einen Trailer namens «Oscar Bait» vor, frei übersetzt: «Einen Oscar, bitte». Es ist die Vorschau auf einen fiktiven Spielfilm voll mit den Klischees, die man aus den heute Nacht gefeierten Filmen kennt.
 
Letztes Jahr hatte die Show die zweitschlechtesten Einschaltquoten aller Zeiten. Vielleicht ändern das die #OscarsSoOrange. Wenn es um Trump geht, bekommen selbst die Oscars Unterhaltungswert. Sehen muss man das trotzdem nicht. Gute Nacht.
 
Erschienen am 26. Februar in der «NZZ am Sonntag».
(Bild: emgn.com)

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