Seelen retten

Die Frau eines Kriegsverbrechers sucht nach Vergebung im aufwühlenden Regiedebüt der Hauptdarstellerin von «Das Fräulein».

Im Krieg exekutierten Mitglieder der serbischen paramilitärischen Organisation Skorpion sechs Bosnier und hielten das Verbrechen auf VHS fest. Jahre später gelangte das Videomaterial an die Öffentlichkeit, und es stellte sich heraus, dass die Täter alle aus demselben Dorf stammten und einander seit ihrer Kindheit kannten.

Von diesem Ereignis ausgehend, wird in «A Good Wife» die Geschichte von Milena (Mirjana Karanovic) erzählt, der Ehefrau eines der Täter. Milena ist 50 und eine Hausfrau und Mutter, die in einem Vorort von Belgrad in guten Verhältnissen lebt. Mit den patriarchalen Strukturen hat sie sich längst arrangiert und kommt routiniert ihren Pflichten nach, egal ob im Schlafzimmer oder im Haushalt.

Als bei ihr Brustkrebs diagnostiziert wird, räumt sie das ganze Haus auf und traktiert die Möbel mit dem Putzlappen. Dabei stösst sie in einer Schublade auf eine VHS-Kassette, die sie nicht kennt. Sie schiebt sie in den Player und weiss nicht, wie sie auf das reagieren soll, was sie sieht: Es sind Aufnahmen, die ihren Mann und ihre Nachbarn als Kriegsverbrecher zeigen. Milena sagt zunächst nichts, doch je näher ihre Operation rückt und je deutlicher sie ihr Leben in Gefahr sieht, desto klarer wird ihr, dass sie handeln muss.

«A Good Wife» ist das Regiedebüt der Schauspielerin Mirjana Karanovic, bekannt aus «Das Fräulein» von Andrea Štaka. Die 59-jährige Serbin ist hinter der Kamera genauso begabt wie davor. Ihr Erstling ist ein berührender und fesselnder Film über die kaputten Familien von Kriegsverbrechern; über die Übriggebliebenen, die den Krieg zwar überlebt haben, aber bis heute unter ihm leiden. Sie verwende das Verbrechen «als Katalysator für die sich entwickelnden Geschehnisse in unserer Geschichte», sagte Karanovic.

Wiederholt sieht man Frauen, die Uniformen und Militärstiefel entsorgen – ob von noch Lebenden oder Gefallenen, ist nicht immer klar. Es ist, als ob es jetzt an den Hausfrauen läge, die Reste des Kriegs wegzuräumen und wegzuputzen, den ihre Männer angezettelt haben. Zu den stärksten Momenten gehören die wortlosen Szenen, in denen die Kamera aus der Sicht von Milena die Menschen um sie herum beobachtet: ihre Familie, Freunde und Nachbarinnen bei einem der Feste, die sie feiern. Sie sehen fröhlich aus. Aber man sieht, wie gross die Anstrengung ist, das Schreckliche zu vergessen.

 

Erschienen am 24. November 2016 im Züritipp

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