Sie wissen nicht, was sie tun
«Amateur Teens» von Niklaus Hilber ist ein Film, den jeder Teenager gesehen haben sollte. Und alle anderen auch.
«Amateur Teens» sei sein erster wirklicher Film, sagt Niklaus Hilber. «Ich habe lange gesucht. Jetzt weiss ich: Mich interessieren Geschichten, die vor unserer Nase spielen. Davon gibt es in der Schweiz ganz viele.» Was der 45-Jährige in «Amateur Teens» erzählt, bezeichnet er als moderne Tragödie. Der Film handelt von einer Gruppe 14-jähriger Teenager, die sich in der Welt von Social Media verlieren. Die Selbstdarstellung mit Selbstfindung verwechseln und daran scheitern müssen. Deren Entdecken der eigenen Sexualität von der allgegenwärtigen Pornographie beeinträchtigt wird. «Amateur Teens» ist ein fein beobachtetes Portrait heutiger Jugendlicher. Die Nahaufnahmen vermittelt einem das Gefühl, selber in der Runde der Teenager anwesend zu sein, man belauscht Gespräche, die Aussenstehende niemals mitbekommen würden. Das schafft grosse Intimität und auch Authentizität. Die Leistungen der jungen Darsteller und Darstellerinnen sind bemerkenswert, die Montage das herausragende Stilmittel. Hilber erzählt stark elliptisch, man muss sich als Zuschauer vieles selber erschliessen.
Niklaus Hilber, in Richterswil aufgewachsen, gab sein Geschichtsstudium auf, weil er selber Geschichten erfinden wollte als alte nachzuerzählen. Er studierte Film an der Tisch School of the Arts an der Universität New York, machte den Master in Drehbuchschreiben am American Film Institute in Los Angeles, 2001 trat er der Writers Guild of America bei. Er hat für Steve Golin gearbeitet, den Produzenten von «True Detective» oder «Eternal Sunshine of the Spotless Mind». Nur umgesetzt wurde keines seiner Drehbücher. «Der Flaschenhals ist extrem eng: Paramount beispielsweise lässt an hunderten von Drehbüchern schreiben, realisiert aber nur 17 pro Jahr.» Hilber kehrte in die Schweiz zurück, drehte «Cannabis» und «Chaos and Cadavers», aber war nicht glücklich mit Unterhaltungsfilmen. «Ich will Filme machen, die den Zuschauer zum Nachdenken zwingen, Sinnfindungsgeschichten erzählen.» Er will Dilemmata, Ambivalenzen, Widersprüchlichkeiten. Darum gibt es auch in «Amateur Teens» keinen Helden, der es am Ende schafft oder scheitert, sondern viele Figuren, die viel zu lernen haben.
«Amateur Teens» läuft zur Zeit am Zurich Film Festival.
(Erschienen am 6. September in der NZZ am Sonntag. Bild: www.zff.com)