Swooosh! Tssrrr! Wrooom!
Ben Burtt hat den Sound der Lichtschwerter aus «Star Wars» und die Faustschläge in «Indiana Jones» erfunden. Er gilt als Begründer des Sounddesigns. Die Schweizerin Gina Keller ist ihm auf den Fersen.
Als George Lucas ihm Skizzen für seinen neuen Film namens «Star Wars» zeigte und beschrieb, was diese Lichtschwerter für Waffen sind, da wusste Ben Burtt sofort, wie diese klingen mussten. «Ich habe nichts gesagt, zog los und zeichnete die Geräusche auf, die ich dafür brauchte», erzählt er im Zoom-Gespräch. «Das war 1975. Mein Gott, ist das lange her!»
Die Geräusche, die Burtt brauchte, fand er im Projektionsraum des Kinos, in dem er arbeitete. Da stand eine Maschine, «mit der man den Projektor mit anderen Geräten verbindet. Dieser macht ein musikalisches, summendes Geräusch» – er macht es vor. Ein paar Wochen später zeichnete er mit einem Mikrofon mit beschädigtem Kabel das Summen eines TV-Geräts auf. «Trrrssssrrr», macht er. Aus diesen beiden Geräuschen, leicht verfremdet, entstand der Sound der Lichtschwerter.
Regisseur George Lucas stellte Burtt ein und änderte den Sound der Lichtschwerter nie mehr. Anders als andere Geräusche in «Star Wars», von denen Burtt Hunderte entworfen hat. Das Atmen von Darth Vader zum Beispiel ist seine eigene, aufgenommen durch einen Atemregler für Taucher. Burtt arbeitete an ikonischen Filmen der 1970er und 1980er Jahre wie «Blade Runner» und «Alien» mit. Er gab «E. T.» seine Stimme und Jahre später auch dem Roboter Wall·E. Auch «Indiana Jones» verdankt ihm seinen Sound, aber vor allem ist der gebürtige New Yorker und vierfache Oscar-Gewinner berühmt für seine Arbeit an «Star Wars». «Die Geräusche für ‹Star Wars› habe ich übrigens mit einem Schweizer Aufnahmegerät aufgenommen», sagt Burtt. «Mit dem Nagra, in den Fünfzigern von Stephan Kudelski entwickelt. Es ist das allerbeste Gerät. Wir alle brauchen es. Jenes von George Lucas funktioniert heute genauso noch wie mein eigenes», sagt er.
Knistern und Klickern
Ben Burtt gilt als einer der Begründer des Sounddesigns, wie man es heute kennt. Als der Tonfilm aufkam, fügten jene, die den Film schnitten, den Bildern auch den Ton hinzu. «Mit der Generation von Ben Burtt hat sich das geändert», erklärt Gina Keller am Tisch im Tonstudio Magnetix in Zürich. Sie ist ebenfalls Sounddesignerin und arbeitete an Schweizer Spiel- und Dokumentarfilmen wie «Blue My Mind», «Raving Iran», «Schwesterlein» oder «Something You Said Last Night».
Verglichen mit Ben Burtts Möglichkeiten im kalifornischen Tonstudio Skywalker Sound arbeitet man in der Schweiz sehr ökonomisch. «Man achtet genau darauf, was es an Sound wirklich braucht, um die Story voranzubringen. Aber man macht hier auch ganz andere Filme. Action-Sequenzen zum Beispiel kommen im Schweizer Film selten vor», sagt Keller. Zurzeit arbeitet sie an «Die Heldin» von Petra Volpe, der von einer Pflegerin erzählt.
Wie andere aus der Schweiz, die mit Talent auffallen, arbeitet auch Gina Keller nicht mehr nur zu Hause, sondern auch im Ausland. Neulich für die «Jerrod Carmichael Reality Show» von HBO und die Serie «Omnivore» auf Apple TV+. Jetzt stehen die nächsten paar Wochen in den USA an, aber woran sie arbeitet, darf sie nicht verraten.
Burtt und Keller kennen einander nicht, aber sie stellen dasselbe fest: Die Leute denken oft, die Geräusche im Film seien echt. Aber das stimmt fast nie. «Kino ist eine Illusion. Es ist alles künstlich. Soundtracks sind eine Übertreibung, eine Karikatur des echten Lebens», sagt Burtt. Sound verstärkt das Bild, setzt Akzente. Darum knistern Zigaretten im Film, klickern Bierflaschen, als ob Eis darin schwimmen würde.
Die Illusion von Authentizität
Sound erzeugt die Illusion von Authentizität durch Übertreibung. Aber das Mass muss richtig sein. Das Publikum darf nicht denken: Wow, das war aber ein toller Soundeffekt, sondern soll von der Geschichte mitgerissen werden. Ein tatsächlich toller Soundeffekt wirkt unbewusst. Gina Keller zeigt am Computer in ihrem Studio, wie so ein Effekt entsteht. Es ist nicht einfach ein Geräusch, sondern mehrere davon. Je mehr übereinandergelegt werden, desto mehr nimmt der Klang Charakter und Volumen an.
Film gilt als visuelles Medium, aber die Hälfte der Wirkung liege am Ton, sagte George Lucas einmal. Wie wahr das ist, fällt dann auf, wenn etwas nicht stimmt. Fehlt das Hallen von Schritten, wird der Raum zur Fläche, und man verliert die Orientierung. Menschen wirken so leblos ohne das leise Rascheln ihrer Kleider wie eine Restaurantszene ohne Hintergrundgeräusche. Ein stummgeschalteter Horrorfilm macht keine Angst mehr. Musik ist fakultativ, aber ohne Ton wird die Illusion des Kinos zerstört und seine Künstlichkeit brutal hervorgekehrt.
Um dem Publikum Echtheit vorgaukeln zu können, sammeln Sounddesigner die Klänge der Welt ein. Sie sind immer mit einem Mikrofon unterwegs, ob auf Wanderungen oder bei Städtereisen. Je mehr man gehört hat, desto besser. «Wenn mich etwas aufhorchen lässt, dann zeichne ich das Geräusch besser auf», sagt Ben Burtt. So wie neulich eine kaputte Kaffeemaschine in einem Hotelzimmer. Oder den Specht am Telefonmast vor seinem Haus. Oder diesen nervenden Handy-Klingelton, der während eines Gottesdiensts immer wieder losging.
Burtt sitzt in seinem Arbeitszimmer im Keller seines Wohnhauses bei San Francisco. Er schwenkt seinen Laptop hin und her, um den Blick auf die Holzregale freizugeben, die voll sind von digitalisierten Tonaufnahmen. Es sind Hunderttausende von Klängen, die er gesammelt hat. Damit reichert er die Sound-Library von Skywalker Sound an, für die er bis heute zuständig ist. Ein «Tonkünstler», wie er sich nennt, braucht so eine Library, weil man nicht immer alles neu aufnehmen kann. Oder weil es die Geräusche heute nicht mehr gibt. Das Kino hält die Erinnerung an die analoge Welt am Leben: «Für ‹Munich› von Steven Spielberg brauchten wir Autos, Schreibmaschinen, Telefone, die klangen wie in den siebziger Jahren», erzählt Burtt. «Zum Glück hatte ich bei meinen Reisen nach England damals Telefongeräusche aufgezeichnet: Klingeln, Wählscheibe, Rufton.» Für «Lincoln», ebenfalls von Spielberg, machte Burtt sich auf die Suche nach Geräuschen, die der 1865 ermordete US-Präsident selbst gehört haben muss: die Kirchenglocke vis-à-vis dem Weissen Haus, die immer noch schlägt. Oder eine Taschenuhr, die Lincoln tatsächlich in seinen Händen hielt.
Anders als Musik lassen sich Geräusche nicht synthetisch erzeugen, darum haben weder Ben Burtt noch Gina Keller Angst vor KI. Sie sehen darin eher ein interessantes neues Instrument, um reale Klänge zu verarbeiten. Sounddesigner wie sie arbeiten mit aufgezeichneten Tönen, sie sind nicht diejenigen, die physisch Geräusche von Schritten oder quietschenden Türen produzieren. Dafür sind sogenannte Foleys zuständig, benannt nach Jack Foley, der für Universal arbeitete und seit den 1930er Jahren mit Soundeffekten dafür sorgte, dass die Filme seines Studios dem Publikum das grössere Spektakel boten als jene von Warner Bros.
Foleys, von denen es in den USA angeblich weniger gibt als Astronauten, experimentieren in Häusern oder Studios voller scheinbaren Gerümpels, mit dem sich allerlei Geräusche erzeugen lassen. Spektakulär sind Simulationen von Brutalität: Stangensellerie für brechende Knochen. Einen nassen Wildlederlappen auswringen für ein Messer, das ins Fleisch sticht. Ein loses Scharnier für Pistolen. Aber wozu eigentlich dieses klackernde Geräusch, das klingt, als ob die Waffe gleich auseinanderfallen würde? «Männliche Sounddesigner mögen Waffen, also machen sie alles, was damit zu tun hat, irgendwie interessant», sagt Burtt. «Wahrscheinlich habe ich selbst es auch gemacht.»
Ein toller Faustschlag
Wie er selbst auch dazu beigetragen habe, dass Faustschläge über die Jahrzehnte immer explosiver klangen. «Mit James Bond wurden Schlägereien erstmals deutlich lauter. Als ich ‹Indiana Jones› machte, wollte ich die Faustschläge darin unbedingt grösser und lauter haben als bei Bond . . .» Echte Faustschläge sind jedoch unbrauchbar für den Film: «Wer je einen realen hört, was ich niemandem wünsche, wird überrascht sein, wie leise der ist.» Wenn man aber, so erklärt er, zwei Crocket-Kugeln in einen Strumpf stecke und diesen mit hoher Geschwindigkeit gegen ein Ledersofa knallen lasse, dann entstehe ein toller Faustschlag.
Und wie halten es Sounddesigner mit der Stille? Sie ist, klar, ein Gestaltungselement: Ein Klang, der auf Sekunden der Ruhe folgt, macht viel mehr Eindruck, weiss Burtt. Er schwärmt davon, wie Stanley Kubrick in «2001: A Space Odyssey» mit leisen Geräuschen und Stille die Verlorenheit seines Protagonisten inszenierte. Als Burtt während seiner vier Jahre beim Animationsstudio Pixar jeden Tag allein in einem Tonstudio sass, fühlte er sich ähnlich verloren wie Kubricks Astronaut. «Also installierte ich Lautsprecher im Flur und entwarf Geräusche, die nach Kontrollraum eines Sci-Fi-Raumschiffs klangen. Sobald ich die Tür meines schalldichten Arbeitszimmers öffnete, war ich umgeben von diesen sanften Geräuschen. Fast still, aber nicht ganz.»
(Am 4.8.2024 in der "NZZ am Sonntag" erschienen. (Bild: )